Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Vierundzwanzigster Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Ich sah aus dem Seitenfenster in die Nacht. Aber da war nichts, außer Nacht und ein paar einsame zerstörte Häuser, unbestellter Acker und eine holperige Fahrbahn. Klatsch dir deine deutschen Soldaten an den Arsch, ich habe auf die Trikolore geschworen. Natürlich war ich einverstanden mit dem, was er sagte. Wenn mir auch nicht ganz klar war, von welchen Aufgaben der Führer des christlichen Südlibanon sprach.
„Halt!“, schrie Haddad und drückte beide Handflächen gegen die Frontscheibe.
In Sekundenbruchteilen standen wir und ich hatte große Mühe, mich am Sitz des Fahrers festzuklammern.
„Pardon, war nur eine Mine“, sagte er nachdenklich, ohne die Hände vom Glas und die Augen von dem Punkt der Straße zu nehmen, an dem er mein Begrüßungsfeuerwerk ausgemacht hatte.
Langsam, sehr langsam fuhren wir links um die Stelle herum; und als der Wagen beschleunigte, griff mein Nachbar nach dem Funkgerät in der Brusttasche seines olivgrünen Hemdes, drückte eine Taste und plapperte irgendetwas hinein.
Wenig später reichte mir Haddad erneut die Hand.
„Wir sind gleich da. Danke für dein Kommen.“

Uns Ausländer brachten sie in einer Villa des Städtchens Marjayoun, nur wenige Meter von dessen Ortsmitte gelegen, unter. Man sagte, sie stamme aus den Zeiten, als der Libanon unter französischer Mandatsverwaltung stand. Nach Ausbruch des Bürgerkrieges, Mitte der Siebziger, flüchteten die kommunistischen Eigentümer ins Ausland. Jahrelang blieb das Gebäude sich selbst überlassen.
Wir machten das Beste aus dem Biotop.

Nach und nach fanden immer mehr Ausländer den Weg in unser Hauptquartier. Waren wir bei meinem Eintreffen noch acht, so zählten wir zwei Monate später bereits einundzwanzig. Sie kamen aus aller Herren Länder: drei Holländer, zwei Franzosen, ein Schweizer, vier Amerikaner, ein Kanadier, fünf Engländer, zwei Norweger und inzwischen auch schon drei Deutsche.
Sergeant Hermann, der Schweizer, kannte ich von der Legion. Er diente in der dritten Eskadron meines Regiments.

Donnerstags sprach ich mit Haddad und Abu Joseph, einem seiner Stellvertreter, über die Belange der Ausländer – beim Kaffee vor seinem Haus in Marjayoun, geschützt hinter einem Wall aus Sandsäcken und umgeben von Leibwächtern, die zuletzt in den frühen Morgenstunden jenes Tages ein Attentat auf Haddad vereitelten, als er mich in Metulla abholte.

Viel früher als angekündigt übertrug mir Haddad größere Aufgaben: so etwa die Führung der Ausländer. Meinen Freund Rettich stellte er mir zur Seite.

Rettich, Niederländer und ein Jahr älter als ich, wechselte nach dem Ende seiner Dienstzeit als UN-Soldat die Lager. Fünf Wochen vor mir meldete er sich bei Haddads Miliz.
Ich lernte ihn gleich am ersten Abend kennen. Er saß im Gemeinschaftsraum am Dieselofen, dem einzigen Mobiliar, und blätterte in einer Penthouse. Vor sich vier Kerzen und einen Blechnapf mit irgendeiner heißen Flüssigkeit, von der er ab und an nippte. Die ersten Sekunden sahen wir uns nur an, musterten uns gegenseitig, sprachen kein Wort. Und doch spürte ich das angenehm warme Gefühl gegenseitiger Sympathie, das sich wie ein Schleier über uns legte – woraus schließlich eine wirklich dicke Freundschaft entsprang.

Wann immer es der Dienstplan erlaubte, trainierten wir unsere Ausländer und eine Handvoll Libanesen mal im Straßenkampf, mal im Häuserkampf und natürlich auch im Nahkampf. Allzu oft bot sich eine willkommene Abwechslung wie diese allerdings nicht, denn drei von vier Wochen verbrachten wir auf einem der vielen Außenposten im Süden des Libanon. Und nicht selten auch noch die Vierte: dann nämlich, wenn wir den Dienst Einheimischer übernahmen. Gegen ihren vollen Monatssold versteht sich.

Sexuell war es die reinste Durststrecke. Und kulturell tote Hose. Abgesehen von sonntäglichen Kirchgängen und einem merkwürdigen Radiosender, dessen Aufgabe und Struktur uns verborgen blieb, wurde nichts geboten. „Voice of Hope“, so der anmaßende Name des Radiosenders, sendete, wann er wollte, was er wollte und wie er wollte. Ein System war nicht erkennbar. Außer vielleicht, dass sich alles Schlechte dieser Welt in Syrien und, außerhalb der israelischen Sicherheitszone, im Libanon eingenistet habe.

Aus irgendeinem Grund fühlten sich Josefs von uns angezogen. Gleich drei dieser Namensträger fragten sich zu uns durch. Um sie auseinanderhalten zu können, setzten wir die Nationalität vor jeden Josef. Einer von ihnen, American-Josef, Pfarrerssohn aus Arizona, strengte sich furchtbar an, meine innere Barriere gegen alles Englische niederzureißen, um Platz für die englische Sprache zu schaffen. Mit Erfolg möchte ich sagen.
Am Morgen nach der ersten Lektion präsentierte ich meinen ersten vollständigen Satz, aufgebracht schreiend durchs Haus stürzend: „Where is the fucking Coffeepot?!“, und sorgte prompt für ausgelassene Stimmung.
Dabei war mir gar nicht nach Heiterkeit. Das Fahnden nach der einzigen Kanne im Haus artete regelmäßig in ein Detektivspiel aus. Ein abgewetztes weißes Emaille-Teil zwar, aber dicht und völlig ausreichend. Doch irgendwie war das Ding immer, wenn man es brauchte, verschwunden.

Daneben bemühte selbstverständlich auch ich mich um den einen oder anderen Beitrag zur Völkerverständigung. Ehrensache.
Beispielsweise, indem ich meinen arabischen Kameraden die deutsche Sprache näherbrachte. Wie American-Josef mit mir, ging auch ich in kleinen zaghaften Schritten vor. Zunächst beschränkte ich mich auf jene, die dafür bezahlten, dass andere ihren Dienst verrichteten. Wann und wo immer ich ihnen begegnete, grüßte ich mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen: „Hallo, Arschloch!“
Dass das gelehrige Völkchen meinen Gruß fälschlicherweise für die gängige deutsche Form, seine Zuneigung zu bekunden, hielten, und es in ihren Kreisen weitertratschten, sodass sich schon bald jeder Araber und jede christliche Araberin mit einem fröhlichen „Allo, Aschlock!“ bemerkbar machten, dafür konnte ich ja nun wirklich nichts. Wir Ausländer nickten und lachten über ihre kurzen As und Os, was sie als Grußerwiderung verstanden und übermütig winke, winke machten.

Von allen Entsagungen vermochten auch die gelegentlichen Ausflüge nach Israel nur kurzzeitig Erleichterung. Doch waren es nicht allein Frauen und wilder Sex, was uns abging, vielmehr noch sehnten wir eine Verschärfung des Konflikts zwischen Israel und der PLO respektive dem Libanon herbei.

Als es dann endlich so weit war und die Israelis im Frühsommer Nägel mit Köpfen machten, führten wir ausgelassene Freudentänze auf. Wir feierten die ganze Nacht. Und nachdem wir unsere Räusche ausgeschlafen hatten, misteten Rettich und ich den Stall aus.
Unbarmherzig entfernten wir jeden Störenfried aus der Truppe. Die beiden Norweger mussten sich trollen, weil uns zu Ohren kam, dass sie für eine Nachrichtenagentur schrieben. Wer sollte sich auf sie im Ernstfall verlassen können? Ginge es ans Eingemachte, warfen sie sich womöglich schützend über ihren Schreibblock, anstatt einem Kameraden zu Hilfe zu eilen. Diese Spezies hatte in unserem Krieg nichts verloren.

Gleich danach flogen die Franzosen. Nicht, weil sie leidenschaftliche Anhänger der „Front Nationale“ waren.
Ihre Überzeugung interessierte niemanden. Wohl aber instinktlose Geschmacklosigkeit. Mit der israelischen Flagge auf dem Dach grölt man keine deutschen Nazilieder. Und schon gar nicht, wenn uns derselbe Nachbar verpflegt, einkleidet, bewaffnet und bezahlt.

Den entschiedensten Widerstand leisteten die Engländer – verbal, wie sonst. Mit den Insulanern war das so eine Geschichte: Sie hatten eine ungeheuer dicke Lippe, soffen sich ins Delirium und waren zu nichts zu gebrauchen. Selbst die Legion sortierte sie ganz besonders gründlich. Ohne Kanonenboote waren sie in einem Konflikt wie diesem ohnehin deplatziert. Den Libanon mit den Falklandinseln gleichzusetzen, hätte fatale Folgen für sie haben können, denn vor uns stand ein leibhaftiger Feind. Wir sahen in zum Töten entschlossene fiese Terroristen-Augen; schlimmer noch – es wurde scharf geschossen. Unsere Aufgabe bestand im Triumph über den Feind, nicht im Wechseln feuchter Windeln. Um es kurz zu machen, ihr Gezeter ging uns derart auf den Senkel, dass wir sie kurzerhand Haddad überließen, der sie drei Tage einlochte und anschließend nach Israel abschob.

Der Einmarsch der Israelis brachte auch eine gewisse Groteske mit ins Spiel der Kräfte: Zum einen rollten schon Tage bevor die Weltöffentlichkeit davon Notiz nahm Merkava-Panzer in den Libanon. Und zum anderen zogen jene ihr bestes Stück ein, die diese Jahrhunderte alte Methode menschlicher Auseinandersetzungen eigentlich verhindern, wenigstens aber behindern sollten: die Schutzmacht der Schwachen und Unterdrückten – die UN. Ihre sich aufopfernden norwegischen UNIFIL-Einheiten etwa, warfen mit dem sicheren Instinkt tapferer Beschützer und dem Edelmut hochbezahlter Bollwerker alle Waffen von sich, als die ersten Panzer in ihr Schutzgebiet rollten, knieten flugs nieder und streckten die Arme weit in die Lüfte.
Allein ein einsamer französischer UN-Soldat war energisch genug, mit einem Schuss aus seiner FAMAS dem Treiben der Israelis Einhalt zu gebieten. Freilich vergebens.

Außerhalb der Geschichtsbücher dürften sich vermutlich vor allem die einheitlichen Bräuche einer selbstlosen Vogel-Strauß-Strategie aller UNIFIL-Einheiten der gespannten Nachwelt überliefern.

Die längst überfällige Invasion nahm ihren erhofften Lauf. Doch wir traten auf der Stelle. Routinemäßig bezogen wir unsere Posten.
Natürlich auch ich – hoch oben über der Litani, dem Grenzfluss zwischen dem zerrüttetem und Haddads freiem Libanon, der israelischen Sicherheitszone im Süden des Landes mit der hoffnungsvoll immergrünen Zeder im rot-weißen Banner.

Seit sechsunddreißig Stunden lag ich nun schon auf dem verstaubten Sandwall und beobachtete die Gegend bis zum Fluss aus von mangelndem Schlaf herrührenden brennenden Augen.

Heiß brannte mir die Sonne in den Nacken und ich fragte mich, warum ich Tag für Tag auf diesen verdammten Krieg hoffte und meinen Arsch für monatliche mickrige 500 Deutschmark herhielt, wenn mir nun das Schlachtfeld verwehrt blieb. Und warum wartete ich seit vierundzwanzig Stunden auf die verdammte Ablösung? Wo blieben Haddads furchtlose Befreiungskrieger? Ich stand auf, ging leicht nach vorn übergebeugt an der kleinen rotbraunen Blechhütte mit den sechs Feldbetten vorbei zu dem uralten Sherman-Panzer, der dem Gegner eher Tränen der Freude in die Augen als Angstschweiß den Rücken hinuntertrieb, und kletterte auf den Turm des fahruntüchtigen Stahlkollos. Aus Gründen der Selbsterhaltung verbot ich mir, die Einsatzbereitschaft dieses klapprigen Relikts aus längst vergangenen Kriegstagen eingehend zu testen.

Als die Israelis vor zwei Tagen begannen, Beaufort, eine bis dahin als uneinnehmbar geltende Festung der PLO, nur etwa fünfhundert Meter Luftlinie in Sichtweite von mir entfernt, zu bombardieren, und die PLO trotzig mit Raketenhagel antwortete, die blöderweise auch meinen Posten zu treffen hofften, weil ich mich zweckmäßigerweise in vorderster Front aufhielt, liefen meine libanesischen Spielgefährten davon. Einfach so: Puff, peng – weg waren sie. Ich fand, das war gar kein netter Zug.
Allein gelassen lauschte ich seither den surrenden, pfeifenden Geräuschen der nahenden Geschosse und schätzte die Stellen ihrer Einschläge. Einige zogen haarscharf vorbei, doch nicht eine traf meinen Posten. Woher nahmen diese Amateure eigentlich die tönende Frechheit, zu behaupten, den Krieg gewinnen zu wollen?

Nach Einbruch der Dunkelheit ließ der Beschuss meines Postens schlagartig nach. Die Israelis hatten ihr Bombardement auf Beaufort intensiviert. Ich zählte die Detonationen und beobachtete im Schein der den Himmel erhellenden Leuchtraketen mein Revier bis zur Litani.
„Aschlock, viele“, brummte ich vor mir hin, bevor ich mich am Morgen nach der Einnahme Beauforts durch die Israelis von der Erde meines einsamen Postens löste, meinen Schlafsack auf den Rücken schnallte, ein neues Magazin in die belgische FN FAL schlug, durchzog und mich auf den Weg durchs Kriegsgebiet machte.
Es war taghell und unerträglich heiß, der Kaffee ging mir aus, die letzte Zigarette war verglimmt und die Amateure schickten mir aus irgendeinem Versteck zwei Raketen zum Abschied.

Copyright © 1993 - 2025 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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