Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Zweiundzwanzigster Teil
Na ja, und dann war da noch meine Levi’s. Gleich nach meiner Ankunft in der Kaserne, nahmen sie mir alles bis auf Zigaretten, Geld und Zahnbürste weg und steckten mich in eine Uniform. Ich hatte nichts gegen die Uniformen, ich liebte sie. Dass sie mir aber meine Levi’s nahmen, traf mich hammerhart. Ich bekam Atemnot, japste, glaubte gar, mein Herz bliebe stehen. Sprachlos stand ich mit offenem Mund vor dem Legionär, der meine Levi’s lieblos über einen Drahtbügel warf und schnauzte in mich hinein: „Unfug, du Pfeifenkopf! Deine Pumpe ist faktisch neu, die schaltet sich nicht wegen eines dämlichen Beinkleides ab. Du bist ein Legionär! Sei hart!“, ging aufs Klo, konnte mich aber nicht setzen, weil irgendein Witzbold das dämliche Porzellan im Boden versenkt hatte, heulte mich aber trotzdem aus – eine volle Stunde lang.
Nach dieser enttäuschenden Woche stülpte man uns, an die zwanzig Volontäre, wie sie uns nannten, nagelneue, unförmige Uniformen über, gab uns dunkelgrüne, ausladende Barette, die eines Legionärs nun wirklich nicht würdig waren, und setzten uns in den Zug nach Marseille. Nur unter Aufbietung aller Kräfte gelang es mir, meine grenzenlose Enttäuschung zu verbergen. Hatte ich doch fest mit einem Kriegseinsatz irgendwo in Afrika gerechnet.
In Marseille erwartete uns ein offener Camion. Ein eisig kalter, kräftiger, bajonettscharfer Wind wehte übers Meer durch die Gassen der alten Hafenstadt und schnitt sich in unsere Gesichter. Obwohl wir wie geschorene Schafe, hoch oben in den verschneiten Alpen, froren, saßen wir aufrecht und erhobenen Hauptes auf den Balken der Ladefläche. Denn schließlich waren wir Legionäre, nicht irgendwelche Memmen.
Doch dann, schlagartig, hob sich meine Gemütsverfassung. Ein hochgewachsener, schwarzer Legionär in spiegelblanken Stiefeln und einer Uniform, die ihm auf den durchtrainierten Körper gemalt schien, öffnete den Schlagbaum zur Kaserne in Aubagne. Die Fransen der rot-grünen Epauletten auf seinen Schultern tanzten verspielt umeinander, korrekt saß das schneeweiße Képi auf dem geschorenen schwarzen Schädel.
Langsam rollte ich meinem dritten und letzten Traum entgegen. Aufgeregt nahm ich jedes Detail wahr, gierig in mir auf. Absolut nichts hielt einer Gegenüberstellung stand. Selbst die Sterilität eines Krankenhauses mutete im Vergleich zu den Kasernen der Legion wie vernachlässigte, verwahrloste Stallungen an.
Aubagne war die Drehscheibe eines jeden Legionärs. Hier wurde entschieden, ob die Fremdenlegion einen Bewerber in ihre Reihen aufnahm oder ihn zum Teufel schickte. Ein stetiges Kommen und Gehen. Im günstigsten Fall kamen monatlich fünfzehn Freiwillige zum Zuge. Nur etwa jeder Vierzehnte, der aus allen Ecken der Welt kommenden Bewerber, hatte eine Chance dieser auserwählten Elite anzugehören.
Ich hielt fest an dem, was ich mir in Strasbourg ausdachte. Was blieb mir auch anderes übrig – ich musste doch dazugehören.
Drei aufregende Wochen bangte ich, mit meiner Version durchzukommen. Vierundzwanzig Stunden täglich bibberte ich um mich und meine Zukunft. Ich sah zurück und sah nichts als Leere, ein schwarzes Loch, in das zu stürzen ich drohte. Trotz dieser Vibrationen waren diese Wochen zusammengenommen nicht annähernd so schlimm wie ein gemeinsames Wochenende mit meinen früheren Eltern.
Als ich am Ende der dritten Woche meinen Legionärsnamen, Walter Freier, genannt und beim anschließenden Appell ein kleines Stückchen roten Stoffes, das ich gegen das Gelbe an meiner linken Schulterklappe tauschte, feierlich überreicht bekam, gehörte ich definitiv dazu.
Es waren die mit Abstand glücklichsten Augenblicke in meinem Leben. Mehr noch als mit der Levi’s übern Hintern, erfüllte mich ein Hochgefühl des Glücks. Mein Körper strahlte vor Selbstbewusstsein und keine noch so große Macht hätte es vermocht, das strahlende Lächeln aus meinem Gesicht zu verbannen. So oder ähnlich, dachte ich mir, musste es sein, wenn sich eine der trüben Tassen, die nach Hause geschickt wurden, die Birne mit Hasch volldonnerte.
Endlich stand ich über den Dingen der unruhigen Nächte; meisterte wiederholte gesundheitliche Untersuchungen und stundenlange Psychotests mit Bravour. Selbst das 2eme Bureau, ihr Geheimdienst, schöpfte keinen Verdacht – oder wollte keinen schöpfen.
Lächelnd schritt ich am Abend mit Stolz herausgestreckter Brust ins Foyer, wie wir Legionäre die kleine verschwitzte Bar in der halbrunden Wellblechbaracke hinter unserem Komplex nannten, zum ganz großen Besäufnis. Sinnlos schüttete ich Kronenbourg-Bier aus kleinen Flaschen – mit ungewohnten, aber praktischen, weil selbst im Rausch noch fix zu entfernenden Schraubverschlüssen – in mich hinein und grölte, sang und tanzte mit den anderen sechs, die gleichfalls aufgenommen wurden, um die Tische.
Einer weiteren Woche in Aubagne folgten drei Monate knüppelharte Grundausbildung in Castelnaudary, die all meine Erwartungen betreffend des Umgangstones und der körperlichen Härte weit übertraf.
Nach wenigen Tagen gehörten auch für mich geschundene Leiber und gebrochene Knochen zum gewöhnlichen Alltag. Sechs vormals stolze Legionäre desertierten, davon fünf in der ersten Woche.
Nicht nur ein Mal sah ich mich während dieser Zeit, mit letzter Kraft ausbalancierend, kauernd auf der untersten Sprosse vor dem Höllenfeuer.
Die Zeit verflog. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Tage glichen und jeder mit einem Höhepunkt begann: dem Frühsport. Besonders viel Freude kam dabei beim allmorgendlichen Dauerlauf auf. Acht Kilometer in Kampfanzug, Stiefel und zwanzig Kilogramm Gepäck auf dem Rücken, schleppten wir uns im Morgengrauen durch den Ort. Körper schwitzten, Glieder schmerzten, Atem gefror. Nur wer die Strecke in weniger als 56 Minuten abtrampelte, wurde im Ziel als angekommen registriert. Wer das wegsteckte, für den waren die fünfzig Liegestütze, mit denen die Morgengymnastik regelmäßig ihren Abschluss fand, kaum mehr als eine Lockerungsübung unter vielen.
Und obwohl wir uns morgen für morgen bis auf den Stumpf abgeholzt fühlten, marschierten wir „Oh, du schöner Westerwald!“ grölend in die Kaserne ein. So als kämen wir von einem ausgelassenen Picknick auf dem Lande.
Sie zwangen dich, brachten dir auf perfide Weise unmissverständlich bei, das Arschloch auszukotzen, von dem du dich hast leiten lassen, als du in ihre Reihen drängtest. Doch Schinderei war es nicht. Wer mit dem Herzen dazugehören wollte, musste da durch. Hosenscheißer desertierten oder warfen sich in einem günstigen Moment vor den Zug. Und das war auch gut so, denn sie waren keine Legionäre.
Mit Beendigung der Grundausbildung hatte ich mir den Rang eines „Legionär 1. Klasse“ erkämpft. Für und um alles musste gekämpft werden. Selbst das ersehnte und von jedem wie eine Braut geliebte und verehrte Képi blanc sowie das kleine moosgrüne Barett bekam man nicht so ohne Weiteres. Vier Wochen trainierten wir allein für diese Auszeichnung der Auszeichnungen.
Abgemagert, aber glücklich fuhr ich auf Befehl meines Ausbildungsleiters, Lieutenant Morrisot, nach Orange. Man hatte mich dem 1er R.E.C., der Kavallerie zugeteilt. Zeit zum Wunden lecken blieb mir nicht. Meine Eskadron, die Vierte, und speziell auch meine Peloton Loro wurde neben Einheiten der Fallschirmjäger von einer Stunde auf die andere überall da eingesetzt, wo sich ein Funke anschickte, zum Flächenbrand auszubreiten, um französische Interessen anzukokeln. Die, wie ich meine, einzige schnelle Eingreiftruppe, die diesen Namen tatsächlich verdiente. Von acht Wochen befanden wir uns sieben im Training. Vierundzwanzig Stunden täglich. Die meiste Zeit davon in Alarmbereitschaft. Eine Truppe für jeden Dreck. Drill bis haarscharf an die Grenzen psychischer und physischer Verträglichkeit.
Das Erste, was ich hier lernte, war das sich tarnen, lautloses Töten und das Bauen von Bombenfallen. Die Socken, die ich trug, als ich ins Regiment kam, wechselte ich erstmals nach mehr als sieben Wochen. Ich stank wie ein fauler Zahn, fühlte mich streckenweise auch wie ein solcher und dennoch war ich überaus zufrieden mit mir, dem was ich tat und denen, denen ich diente. Denn nicht jedem war es vergönnt für diese ebenso brutale wie exzellente, gehasste wie geliebte Kriegs- und Lebensschule auserkoren zu werden. Dem nach den Israelis einzig wahrem Militär mit ebenso viel Kampfgeist wie Kampfkraft.
Den gehörigsten Kick holte ich mir beim Beinahesprung von der untersten Sprosse.
Eines Tages, irgendwann im Sommer meines ersten Jahres, nahm unsere Eskadron mal wieder an einem Manöver mit regulären französischen Streitkräften teil. In irgendeinem Kaff am Fuße des schneebedeckten Montblanc. So sehr ich mich auch zu erinnern versuchte, der Auslöser für das folgende Geschehen blieb mir ein ungelöstes Rätsel. Doch einen handfesten Grund, dessen war ich mir sicher, musste es gegeben haben. Denn bei der Legion wurde niemand grundlos bestraft.
Gedankenversunken saß ich auf dem vom tagelangen Regen aufgeweichten Boden vor dem Zelt meines Pelotons, als mich jemand aus der Dunkelheit von der Seite ansprach. Was ihn dazu bewegte, entglitt meiner Erinnerung. Nur eine kurze, aber heftige verbale Auseinandersetzung, in deren Verlauf mich der Dunkelmann am Arm packte und mir eine Schaufel fest an die Brust presste, sodass ich instinktiv nach ihr griff, blieb. Mit beiden Händen krallte er sich an Ärmel und Gürtel meines Kampfanzuges fest und zog mich wie ein störrisches Maultier quer durchs Lager zu einem Stück asphaltierter Straße, das sich durch den rückwärtigen Teil unserer Basis schlängelte.
„Es ist gleich dreiundzwanzig Uhr. Punkt fünf sehe ich hier an dieser Stelle ein verdammtes Loch im Asphalt. Zwei Meter in der Länge, einen in der Breite und zwei in der Tiefe. Ich empfehle dir, dich ranzuhalten, Legionär!“ Wütend schnaufend stapfte Lieutenant Loro davon.
Loro war mein Chef. Ein fairer Vorgesetzter mit einem Akzent, den nur er verstand. In der Dunkelheit erkannte ich ihn nicht; sah einen Eindringling in meine Gedankenwelt in ihm.
Empfehlungen von der Art Loros sollten besser bedingungslos befolgt werden, wollte man in absehbarer Zeit den unausgesprochenen Disziplinierungen entgehen. Die Zuwiderhandlung einer höflichen Empfehlung war nämlich eine Winzigkeit selbstmörderischer als die eines simplen Befehls. Und da ich mich niemals einem Befehl widersetzte, tat ich an diesem Tag Gleiches mit Loros Empfehlung.
Kaum ein Haar auf der Brust, dafür jede Menge Wasser im Arsch stand ich da und sah hinab auf die schwarze Decke zu meinen Füßen.
Ein verlorenes Stück Straße von vielleicht sechzig Metern lag da, als wolle sie einen Abschnitt zwischen dem Wäldchen, in dem wir uns niedergelassen hatten, und dem angrenzenden Acker unterstreichen. Ein scheinbar nutzloser schwarzer Strich, den niemand brauchte, für den es keine Verwendung gab, mit niemand etwas anzufangen wusste – außer Loro.
Abseits und im Mondschein sollte ich also mein Loch buddeln. Na, wenn er es unbedingt so wollte – wohl an denn. Zunächst langsam, beinahe zaghaft, dann mit jedem Schweißtropfen schneller und wilder drosch ich mit der schlichten Schaufel verzweifelt auf die Decke der anderthalb Meter breiten Straße ein. Doch die bedrückte das nicht, kam mir keinen Brocken entgegen. Ich hackte und hackte und hackte, doch die Straße stemmte sich mir entgegen. Die Empfehlung Loros war ihr schnurzpiepegal.
Nach dreißigminütigem ununterbrochenem Hacken und Fluchen setzte ich mich durchnässt und erschöpft zu Boden. Bis auf eine unscheinbare Kuhle blieben meine Anstrengungen erfolglos. Noch fünfeinhalb Stunden – das war zu schaffen. Ein Legionär gibt niemals auf.
„Geh zum Posten. Ruh dich aus.“
Ich warf mich auf die Seite, die Schaufel zum Schlag ansetzend. Dubost, ein Kamerad aus meinem Peloton, hatte sich, von mir unbemerkt, herangeschlichen. Meine Alarmglocken überhörte ich im Asphaltwahn. Ausgesprochen peinlich.
„Später. Loros Schlafzimmer muss bis fünf fertig sein.“
„Hau schon ab. Wir erledigen das.“
Ich lag auf dem Boden, umklammerte die Schaufel und sah durch Dubosts Beinen hindurch einen Trupp Legionäre auf uns zukommen. Schwerfällig auf den Stiel der Schaufel stützend, zog ich mich an ihr hoch und schüttelte jedem meiner zwölf Kameraden wortlos die Hand. Ebenso wortlos machte ich mich auf zum Posten. Mehrmals noch drehte ich mich nach meinen Kameraden um und sah im Mondlicht durch die Luft wirbelnde Spitzhacken, hörte berstenden Asphalt und fühlte den erotisierenden Triumph einer siegreichen Schlacht in mir wüten.
Im Posten, einem improvisierten Wachhäuschen, das eigentlich ein Zelt an der Hauptstraße war, versorgten mich die wachhabenden Legionäre eines anderen Pelotons unserer Eskadron mit Tee und Zigaretten. Ein wahres Freudenfest.
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