Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Dreiundzwanzigster Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Als ich am Morgen auf Loro wartend neben der imposanten Grube stand und ungläubig hineinstarrte, war ich fester denn je von der selbstlosen überragenden Kameradschaft unter Legionären überzeugt. Alle, wären sie erwischt worden, mussten mit einer empfindlichen Bestrafung rechnen.
„Geh in deine Unterkunft und schlaf dich aus. Für heute bist du vom Dienst befreit, Legionär“, befahl Loro, nachdem er gegen halb sechs erstaunt abwechselnd erst das Loch und dann mich musterte. Sein Gesichtsausdruck verriet seine Gefühle ebenso wenig wie meiner die Dankbarkeit meiner Kameraden gegenüber.

Legio Patria Nostra – Die Legion ist dein Vaterland. Auch für mich wurde sie zum Vaterland. Zur Heimat. Ich liebte diesen farbenprächtigen Haufen aus über achtzig Nationalitäten.

Rückblickend sehe ich meine Zeit bei der Legion als ein niemals enden wollendes rauschendes Fest. Mehr noch: als den totalen Lustgewinn. Sie machte mir Appetit auf mehr, viel mehr. Ich suchte nicht mehr mich oder meine Grenzen. Jetzt wollte ich das darüber Hinausgehende.
Meinen Kontrakt verlängerte ich nicht, weil ich keine neuen Herausforderungen für mich sah, dagegen aber spürte, dass an anderer Stelle weit interessantere Aufgaben auf mich warteten. Fünf Jahre sollten genügen. In dieser Zeit sah ich einige Kriege, lernte viel, beteiligte mich an so manchem Abenteuer und brachte es bis zum Sergeanten.

Nach fünf Jahren, sagte man mir anfangs in Aubagne, könne ich unter meinem Legionärsnamen französischer Staatsbürger werden. Doch als es dann so weit war, machte ich keinen Gebrauch davon. Was ich suchte, gab man mir. Jetzt war es an mir, zu geben – Mit Ehre und Treue.

So kehrte ich an einem verschneiten letzten Februartag meinem Vaterland den Rücken. Und natürlich ließ ich mir am Vorabend noch schnell die Haare auf drei Millimeter stutzen. In den zurückliegenden Jahren gewöhnte ich mich an diese pflegeleichte Frisur. Außerdem zog man ja in den Krieg und wollte gepflegt aussehen. Auf eine Abschiedsfeier verzichtete ich. Zu diesem Zeitpunkt war mir nicht wirklich bewusst, ob ich tatsächlich ging. Mein Herz blieb, und vielleicht würde auch ich bald zurückkehren.


Mit dem Zug fuhr ich nach Paris und flog noch am selben Tag nach Tel Aviv, um an der Seite Israels streitsüchtigen PLO-Terroristen nachzustellen. Einen Heidenspaß versprach ich mir. Die bei der Legion gesammelten Erfahrungen, war ich mir sicher, würden im Libanon nachgefragt.

Im Tel Aviver Fünfsternehotel „Diplomat“, unmittelbar am breiten Strand des Mittelmeeres, verlebte ich vier ebenso wunderbare wie langweilige Tage. Ich wünschte mir einen Urlaub, wie ihn Millionen von Menschen Jahr für Jahr verbringen. Doch die ständige Suche nach sinnvoller Tagesgestaltung brachte mich an den Rand des Wahnsinns.
„Ich reise morgen ab. Bestellen Sie mir bitte für acht Uhr einen Wagen mit Chauffeur“, bat ich vom Zimmertelefon aus die Dame an der Rezeption.
Geldsorgen hatte ich keine. Die letzten fünf Jahre häufte sich ein ansehnliches Sümmchen auf meinem Konto an.
Nachdem ich am folgenden Morgen meine ganz und gar unbescheidene Hotelrechnung beglichen hatte, bemächtigte sich der geduldig an der Rezeption wartende Chauffeur meines Seesacks und verstaute ihn in einem vor dem Portal bereitstehenden beigefarbenen Mercedes.
„Wohin darf ich Sie bringen?“, fragte er, als ich neben ihm Platz genommen hatte, in tadellosem Deutsch.
„Metulla. Hotel Goldberg.“
„Was?“ Er warf den Kopf herum und sah mich an, als sei ich ein unartiges Kind, dass sich sträubte, vor dem Essen die Hände zu waschen.
Ich übersah seine rügend hochgezogenen buschigen Augenbrauen und betrachtete statt dieser den vorbeirollenden Verkehr. Warum hupen hier alle ohne erkennbaren Grund? Was, wenn das Ding kaputt ginge?
„Es ist nicht ganz ungefährlich da oben. Wissen Sie denn nicht, dass bei Metulla die Grenze zum Libanon verläuft? Der Good Fence. Da ist Kriegsgebiet.“
„Werden wir vor Einbruch der Dunkelheit ankommen?“
Ein kurzer Stoßseufzer und ein leichtes, kaum merkliches ungläubiges Kopfschütteln, dann fuhr er endlich an.

Während der Fahrt klärte er mich ununterbrochen darüber auf, wo wir uns gerade befänden und was es alles zu sehen gäbe, hätten wir doch nur etwas mehr Zeit. Eigentlich war er ein recht netter Kerl, wenn er mich nur nicht ständig mit seinen aufdringlichen Erklärungen drangsalierte. Einen Vorwurf konnte ich ihm daraus nicht machen. Ich Trottelkopf hätte bei meiner Order klarstellen müssen, dass ich weder Fahrzeug noch Fahrer von der Touristenbetreuung wünschte.
Einmal, ein einziges Mal gab ich seinen Drängeleien nach. In irgendeinem kleinen Örtchen unterbrachen wir die Fahrt für eine Stunde. Zum einen, um meiner Blase Erleichterung und meinem Magen eine Füllung zu verschaffen und zum anderen, um Diamantenschleifer bei ihrer höchst interessanten Arbeit zu beobachten.
Diamanten fand ich todlangweilig. Ihre Bearbeitung, dieser hochachtungsvolle, ruhige, feine künstlerische Umgang mit dem alten Zeug dagegen außerordentlich faszinierend.

Dreieinhalb Stunden, nachdem ich den Fahrer bezahlt, mich für die wundervolle Fahrt bedankt und von ihm verabschiedet hatte, klopfte es an meine Zimmertür. Eben spielte ich mit dem Gedanken, meinem Seesack meine Zahnbürste entlocken zu wollen, Zähne zu putzen und mich gleich danach aufs Ohr zu legen.

Es war auf die Minute 23 Uhr. Ich drückte meine Zigarette aus, griff unters Kopfkissen nach meinem Stiefelmesser, schlich zur Tür, öffnete sie mit einem Ruck nach innen und sah mich zwei mit Galil-Maschinenpistolen bewaffneten israelischen Soldaten gegenüber. Der eine lässig an den Türpfosten gelehnt, der andere einen Schritt entfernt – die Läufe ihrer Waffen zu Boden gerichtet.

„Shalom! Wolf Fechter?“
„Hm“, und nickte bestätigend, ohne dabei meinen Blick abzuwenden.
Fahles Mondlicht drang durch das offene Zimmerfenster auf den Flur und tauchte ihn in eine gespenstig anmutende Szenerie – menschliche Silhouetten ohne Beine und Köpfe.
„Komm!“, befahl mein Gegenüber aus dem Halbdunkel.
Sein Französisch war nicht vom Feinsten, aber durchaus verständlich. Vor allem, weil er mit seiner Waffe unmissverständlich die Richtung wies.

Als ich in dem kleinen, einer Pension ähnelndem Hotel „Goldberg“ am Ende der abbiegenden Hauptstraße von Metulla abstieg, empfing mich ein freundliches, aufgeschlossenes Mütterchen aus Meißen bei Dresden, das im Juni 1942 mit ihrem Mann vor den Nazis über Frankreich in die Vereinigten Staaten floh, um sechs Jahre später in Israel anzukommen und eine neue Existenz zu gründen. Sie sprach schnell und ich bemühte mich, ihre abhandengekommenen deutschen Vokabeln zu ergänzen.
Ich hatte mich weder angekündigt noch vorab reserviert. Somit galt ihre Freude nicht so sehr mir, nahm ich an, als mehr dem einzigen Gast ihres Hauses.

Dankbar nahm ich den zu fortgeschrittener Stunde dargebotenen Kaffee und die selbst gebackenen Kuchenstückchen an. Als höflicher Mensch, der ich nun einmal war, griff ich kräftig zu und lenkte unser Gespräch, das bis dahin ein höchst unerfreulicher, weil braungeschichtlicher Monolog der alten weißhaarigen Dame war, geschickt in eine mir genehme Richtung.

Das Mütterchen war weit weniger aus der Ruhe zu bringen als der Kutscher.
Mit einem resoluten „Papperlapapp!“ und unterstützenden, rudernden Armbewegungen schnitt sie mir nach einer kurzen Einführung meines Wunsches das Wort ab und schickte mich zu Bett. Derweilen wolle sie für mich, einem netten deutschen Jungen, ein klärendes Wort bei ihren Soldaten, wie sie sich ausdrückte, einlegen.

„Sekunde.“ Ohne mir den Bauch kitzeln zu wollen, aber mein Französisch stellte ihn noch tiefer in den Schatten.
Ich ging zum Bett, nahm meinen Seesack vom Fußende und hievte ihn auf die Schulter. Sacht stieg ich die leicht gewundene, schmale, hölzerne Treppe hinab. Altersschwaches Quietschen begleitete jede meiner vorsichtigen Gehübungen.
Unten angekommen schloss ich mich einem dritten Soldaten an und folgte ihm zur Tür, die von einem weiteren offengehaltenen wurde, als mich ein heller Ruf aus der Finsternis des Speiseraumes im Rücken traf und wie einen ertappten Dieb innehalten ließ.
„Warte, Junge!“, wiederholte eine müde Stimme das, was ich zuvor nicht recht verstand.
Ich wandte mich der Dunkelheit zu und erkannte die Inhaberin. Gemächlich, das Gehen fiel ihr sichtlich schwer, löste sie sich aus dem Dunkel und kam winkend auf mich zu.
„Da! Nimm!“
Die Beleuchtung im Portal war von einer nackten Glühlampe über dem Tresen gedämpft.
Hilflos betrachtete ich das, was sie mir verblüfftem deutschen Jungen in die rechte Hand drückte, als ich glaubte, sie wolle sich verabschieden – was ja eigentlich mein Part hätte sein sollen.
„Nimm schon!“ Ihre Augen waren müde, ihre Hände zitterten.
„Das ... Nein ... Das geht doch nicht“, stammelte ich unbeholfen.
„Du gehst doch jetzt nach da drüben. Das ist das Geld, was du mir für das Zimmer gegeben hast – und etwas mehr. Nimm es. Es ist gutes Geld. Es wird dir helfen.“
War es die späte Stunde oder ihre getragene Stimme, die mich glauben ließ, etwas falsch verstanden zu haben. Oder war es einfach nur meine Verlegenheit. Niemals zuvor erhielt ich ein so liebevoll überreichtes, ein derart kostbares Geschenk. Ich sah zu meinen Begleitern, als erwarte ich von ihnen einen Hinweis, gar eine Antwort. Keiner von ihnen war älter als ich. Sie lächelten gelassen, keine Spur von drängender Eile.
„Wofür?“, fragte ich, nur um etwas zu sagen.
„Du hast doch das Zimmer gar nicht benutzt. Ich habe noch etwas draufgelegt. Du gehst doch für uns hinüber. Steck es ein, du wirst es brauchen können. Mazel tov! Shalom!“
Muttchen streichelte mir mit ihrer knochigen rechten Hand sanft über die Wange, machte kehrt und wurde mit dem Dunkel eins.

Mich ließ sie mit einem faustdicken Kloß im Hals zurück. Einen Moment sah ich in das Schwarz, das sich der zierlichen, starken Frau annahm, schob dann die Hand mit dem Geld in die Hosentasche, packte mit der anderen den Seesack und ging die wenigen Meter durch den Vorgarten bis zur Straße, wo am Bordstein ein viertüriger, beigefarbener Jeep Cherokee auf mich wartete.

Die Fondtür des massigen Fahrzeugs öffnete sich wie von Geisterhand. Ich warf mein Gepäck ins Innere und machte es mir in den weichen Lederpolstern hinter dem Fahrer bequem. Das Klacken der Tür war noch nicht verhallt, da setzte sich der Jeep auch schon in Bewegung.
Im Wagen drei grobschlächtige uniformierte Primaten – kein Wort, keine Geste der Begrüßung kam rüber.

Wir passierten den „Good Fence“. Mein Herz vollführte wilde Purzelbäume. Es mögen drei Sekunden oder unbedeutend mehr nach dem Überschreiten der Grenzlinien gewesen sein, als der kleine bullige Endvierziger vom Beifahrersitz eine Vierteldrehung vollzog und mir mit einem feierlichen Lächeln um die fleischigen Lippen seine bäuerlich kräftige rechte Hand bot.

„Marhaba! Willkommen im Libanon! Willkommen im freien Südlibanon!“, tönte eine ruhige, harte Stimme in edelstem Französisch.
Zögerlich, aber erleichtert schlug ich ein.
Auch unser Fahrer reichte mir seine Hand – verdreht über die Schulter nach hinten gebogen.
„Willkommen! Willkommen!“
Und schließlich hieß mich auch mein Nachbar Willkommen.

Aus einem mir völlig unverständlichem Grund brachen sie plötzlich in lautes Gelächter aus. Sie lachten, als kämen sie geradewegs von der Trauung eines guten Freundes, dem im entscheidenden Moment die Braut davongelaufen ist.
„Du bist noch sehr jung.“ Es war die Stimme des Stiernackens vom Beifahrersitz, die mich nach Minuten der Belustigung erreichte. „Gerade einundzwanzig geworden.“ Mit den Fingerspitzen trocknete er seine Augen. „Hm. Der jüngste Ausländer bei uns. Willkommen!“
Seine Kenntnisse bezog er von Muttchen, der ich auf ihren Befehl hin meinen Ausweis vorgelegt und meine Zeit bei der Legion geschildert hatte, sodass sie mich bei ihren Soldaten angemessen vorstellen konnte.
Eine Pause entstand. Stiernacken sah mich an oder an mir vorbei, so genau habe ich das in der Dunkelheit nicht feststellen können. Es konnte auch gut möglich sein, dass er versuchte das Fahrzeug, das sich uns von hinter näherte, zu identifizieren.
„Übrigens: ich heiße Saad Haddad.“
Ich erlaubte mir, im Scheinwerferlicht des uns überholenden Wagens, einen dezenten Blick auf sein Gesicht zu werfen. Den Major unterschlug der kleine Stier, dessen Gesichtsmittelpunkt einer riesigen roten Himbeere ähnelte.
„Vor dir hatten wir noch keinen Deutschen hier. Bist der Erste, der gekommen ist.“ Er beugte sich nach vorn und sah auf die Straße, als suche er eine verloren gegangene Kontaktlinse. „Wir brauchen gute deutsche Soldaten. Lerne unsere Sprache. Sobald du dich mit meinen Milizionären arabisch verständigen kannst, übergebe ich dir große Aufgaben. Einverstanden?“

Copyright © 1993 - 2025 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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