Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Fünfundzwanzigster Teil
In Marjayoun langte ich nach einem strammen dreieinhalbstündigen Fußmarsch an. Nichts deutete auf Kriegswirren hin. Markante Veränderungen fielen mir nicht auf. Die kleinen Geschäfte am Markt öffneten wie jeden Tag und vor den Cafés saßen rauchende, tratschende, streitende Alte unter Schatten spendenden Jalousien.
„Hey, elende Söldnersau! Wo treibst du dich rum?!“, begrüßte mich Rettich, wie immer auf das Herzlichste, von der Terrasse unserer Villa herunterrufend.
Ich tat einfach so, als hätte ich ihn weder gesehen noch gehört, stieg schwerfällig die Stufen zur Terrasse hinauf und, oben angekommen, pflaumte in seine bübisch grinsende Visage: „Leck mich, Wohnwagen züchtender, Käse fahrender Tulpenfresser! Die sind abgehauen! Alle Acht sag ich dir! Kaum, dass es bum, bum machte. Auf und davon. Nicht normal. Echt nicht.“
Mein Blick fiel auf die Kaffeekanne am Boden neben Rettichs Stuhl und eine fast volle Tasse auf der Brüstung. Durstig griff ich zu. Ich achtete weder auf ihn noch die beiden, die auf die Terrasse heraustraten. Einzig der Tasse galt mein Interesse. Nachdem ich sie geleert hatte, füllte ich sie erneut, um sie sogleich in einem Zug abermals zu leeren. Dabei drückte ich die Kanne am Henkel haltend liebevoll an meine Brust.
„Ah, German-Aschlock machen Krieg und Libanesisch-Held nuckelt an Titte. Du bist gewaltig groß Aschlock!“, hörte ich Hermann.
„Ja“, sagte ich nachdenklich und sah hinüber auf den Golan, „Wenn nicht, dann wäre ich Schluchtenjodler wie du.“
„Eine sehr, sehr alte holländische Weisheit besagt: Ein Aschlock, das einem Holländer den Kaffee wegsäuft, dem fault der Schwanz ab, wenn er die nächste Muschi küsst.“ Rettich zitierte ständig irgendwelche Weisheiten und Sprichwörter – in den allermeisten Fällen frei erfundene.
„Was ist eigentlich mit dem Israeli, der gestern abgeschossen wurde?“, wechselte ich das Thema, ohne meinen Blick von den Golanhöhen abzuwenden. „Das war der Erste verdammte Abschuss. Das arme Schwein kam direkt vor meiner Nase runter.“
„Ach, ich weiß auch nicht so hundertprozentig. Der Pilot hat sich mit dem Schleudersitz retten können. Israeli und PLO haben sofort Kommandos losgeschickt. Die Palästinenser waren schneller. Es heißt, man habe ihn nach Beirut gebracht und ausgestellt.“
Ausstellen oder zur Schau stellen bedeutete ein mittelgroßes Volksfest. Wenig erbauend und niemandem zu wünschen.
„Wie war es bei dir?“
„Genauso. Nur bin ich auch weg, als die Araber geflüchtet waren. Bin doch nicht bekloppt und biete den Pennern meinen Arsch an.“
Eine Woche später – Metulla war mittlerweile von Journalisten, denen allesamt der Zutritt zum Libanon verwehrt wurde, belagert und die Israelis marschierten unaufhaltsam auf Beirut zu, sprach ich bei Haddad vor. Seit zwei Wochen schon war unser Sold überfällig.
„Ka Geld, ka Musik“, drohte ich, ohne zedern.
„Es tut mir leid, Deutscher, aber darauf habe ich nun wirklich keinen Einfluss, zumal es Israel so wünscht.“
Haddad nahm das Wasserglas, das ihm Abu Joseph reichte, setzte es an die fleischigen Lippen und schüttete die fünf Zentimeter Arak auf einen Zug in sich hinein.
„Bitte?“
Ich kam mit dem, was er mir zu sagen beabsichtigte, nicht ganz klar.
„Israel wünscht, dass ihr, wie soll ich sagen, dass ihr eben nur noch eine politische und keine militärische Rolle mehr spielt. Natürlich bekommt ihr Geld. Aber zurzeit ist alles knapp. Ab heute wird an Zivilisten kein Diesel mehr abgegeben.“
„Das schmeckt mir nicht. Es werden noch mehr gehen.“
„Noch mehr?“
„Letzte Nacht haben sich die ersten drei verabschiedet. Angeblich zahle Arafat nicht nur pünktlich, sondern auch etwas mehr. Vom Zehnfachen wird gemunkelt.“
„Falsche Richtung, wenn das mit Sabra und Schatila auf den Titelseiten erscheinen sollte. Ihre Eier sind schon jetzt keinen Pence wert.“ Haddad spülte seinen Mund mit weiteren fünf Zentimetern. „Sag meinen Freunden,“, er nahm meine rechte Hand in seine bäuerlichen Pranken und drückte sie fest, „ich werde mit Israel sprechen.“
Die Weltpresse hatte ihr Sommerthema gefunden. Nicht das Gemetzel im Südlibanon, sondern ein paar in Sabra und Schatila gekillte Terroristen schmückten die Titelseiten. Wir hakten unsere umherirrenden Kameraden ab. Nichts Großes, nichts Bewegendes, nur ein gedanklicher Handgelenkschwinger.
Haddad hielt Wort. Zwei Tage nach seiner Ankündigung, mit den Israelis sprechen zu wollen, zahlte man uns den Sold der vorangegangenen Wochen aus.
„Krieg ist unser Geschäft, lautet eine schweinealte Söldnerweisheit. Aber wir Holländer haben sogar ein richtiges Gesetz: In der Geschäftszeit ist das Amüsieren unbedingt erlaubt.“
Rettich folgend zogen wir nach Metulla und tauschten unser sauer verdientes Geld im Hotel „Arazim“ gegen gute Speisen, viel Alkohol und noch mehr weiches Fleisch.
Von den Gelagen hielt ich mich ebenso zurück wie Rettich. Aufmärsche dieser Art gingen selten gut. Häufig endeten sie im Stunk. Auch in dieser Nacht. Kaum glaubten unsere siegreichen Kameraden, im Kampf gegen den übermächtigen Feind Alkohol die Oberhand gewonnen zu haben, pöbelten sie auch schon streunende Journalisten, glotzende Touristen und schwanzkneifende UNIFIL-Offiziere an. Dass es zu keiner Schießerei kam, war einzig Mäxchen zu verdanken: Hier eine fliegende Faust, da ein Fußtritt – schnell hatte er die Spaßvögel, samt ihrer Waffen, unter Kontrolle.
Mäxchen, Niederländer und ehemaliger UN-Soldat wie Rettich, war das, was man kaum treffender als Bilderbuchhüne umschreiben kann. Vor allem seiner stattlichen Erscheinung, die magische Anziehungskräfte auf Frauen auszuüben schien, war es zu verdanken, dass er den Weg nach Marjayoun fand – oder genauer: finden musste. Leichtsinnigerweise verfiel er in dem Minikaff Bejier Bell, wo er sich als einziger Ausländer und Christ den Schiiten (Gläubige des Islam) anschloss, einer Liebelei mit – na, wem wohl – einer verheirateten, moslemischen Schönheit. (Nur damit Sie keine falschen Schlüsse ziehen: Dass mit der Schönheit, dass waren Mäxchens Worte, nicht die irgendeines anderen.) Ihr Mann, der in Jordanien für den Unterhalt seiner Familie rackerte, sah sich außerstande, den Unterleibsgelüsten seiner Gemahlin angemessenes Verständnis entgegenzubringen. Nach seiner Rückkehr verstieß er sein wollüstiges Weib und blies zum großen Halali auf unser brünstiges Mäxchen. So zu Höchstleistungen angespornt, fand er sich noch in derselben Nacht wohlbehalten in unserer sagenumwobenen Villa ein.
Bald schon hatte sich die Aufregung wieder gelegt. Vergessen die Pöbeleien. Doch war es nicht allein Mäxchen, der den Stimmungswechsel herbeiführte. Auch das gegnerische Lager der Journalisten trug dazu bei. Urplötzlich witterten sie die ganz, ganz große Chance.
Was sprach eigentlich dagegen, fragten sich einige von ihnen, solange uns die Einreise in den Südlibanon verwehrt blieb, die Söldner zu interviewen. Beeindruckt von der Größe, Anzahl und Schlichtheit der Dollarnoten und der professionell geführten Überzeugungsarbeit die einen, genervt von den ewigen Drängeleien die anderen, gab schließlich jeder nach und verriet eine todsichere Stelle, an der sogar „unser Mann im kreuzgefährlichen Krisengebiet“ den ansonsten undurchlässigen Grenzzaun gefahrlos überwinden könne.
Israelische Kommandos nahmen in der darauffolgenden Nacht mehr als drei Dutzend ausländische Journalisten fest, die tatsächlich versuchten, über den Good Fence illegal in den Libanon zu gelangen.
Die Sache hatte nämlich einen, wenn auch kleinen und unbedeutenden, Schönheitsfehler: Es gab kein Schlupfloch.
Etwa zur selben Zeit, zu der ein Rudel aufgekratzter Journalisten in Erklärungsnot geriet, schlichen vier nur mit Messern bewaffnete Gestalten durch das nächtliche Marjayoun. Unser Ziel: eine Garnison der Israelis. Es war natürlich nicht irgendeine x-beliebige – natürlich nicht. Es war die Einzige in Marjayoun. Und dass sie streng bewacht wurde, versteht sich von selbst.
Kletternd überwunden wir eine Natursteinmauer, pressten uns an Häuserwände und robbten nahezu geräuschlos über unbefestigten Boden, bis wir fanden, wonach wir suchten.
Die Bezeichnung Straße transportiert ein falsches Bild. Deshalb: ein leidlich festgetrampelter Pfad. Und das mit dem unbefestigten Boden kann auch nicht einfach so für sich allein stehen bleiben. Da sollte man ... na, egal.
Aber die Mauer, über die Mauer muss unbedingt noch etwas gesagt werden. Eine erschreckend wacklige Angelegenheit. Viel fehlte nicht, und dass Teil wäre unter uns zerbröselt. Schaurige Vorstellung.
Beiderseits des Trampelpfades für motorisierte Einheiten boten sich auf den in Friedenszeiten dem gemeinen Fußvolk vorbehaltenen Bodenbefestigungen Schützenpanzer an. Und weil wir schon einmal rechts der Straße robbten, robbten wir auf dieser Seite weiter. Ein Spurwechsel war nicht angezeigt. Vermutlich wäre es auf der linken Seite ohnehin nicht sehr spaßig geworden. In den dortigen Hauseingängen brannte Licht.
Nur noch wenige Meter trennten uns vom ersten Panzer, als ich stoppte, mich über den Rücken auf die rechte Seite rollte und den beiden letzten unseres verwegenen Kommandos im Flüsterton befahl, die Augen offen zu halten und Zeichen zu geben, wenn sich etwas bewegt, was sich von rechtsregen weder bewegen dürfte noch bewegen sollte. Sodann machte ich mich mit Rettich, meinem Hintermann, auf, die sich vor uns widerwärtig aufdringlich anbietenden Blechdosen zu öffnen.
Sacht, um keine verräterisch quietschenden Geräusche zu erzeugen, zogen wir erst die hintere Einstiegsklappe des einen, dann die des unmittelbar davorstehenden Schützenpanzers auf. Wieselflink sprang jeder in einen hinein und nach wenigen Sekunden wieder heraus.
Lautlos, wie wir kamen, robbten wir zurück und schlichen bedächtig (in jeder Hand einen metallenen Kasten von der Größe eines Kofferradios mit CD-Player, Doppelkassettendeck mit zwei Geschwindigkeiten, Uhr mit Weckfunktion und Fernbedienung) durch die schmalen haustierkotüberfrachteten Gassen von Marjayoun.
„Normalerweise müssten wir einen drauf saufen!“
Karl-Heinz, alias Normalerweise, Deutscher, desertierter Legionär, etwas dumm im Gesicht und seit drei Wochen bei der Truppe, knallte eine Flasche Arak und vier Gläser auf den Tisch.
Wir saßen auf der Terrasse unserer Villa und begutachteten die am Boden ausgebreitete Beute: Acht bis zum Überlaufen mit 7.62 Patronen gefüllte Munitionskisten. Exakt das Kraftfutter, auf das unsere belgischen FN FAL so abfuhren. Das war doch mal was wirklich Nettes.
„Einen Schluck!“, empfahl ich Normalerweise und blinzelte in die aufgehende Sonne, „Wir ziehen in einer Stunde los.“
Rettich und Mäxchen verstauten die Spaßmacher aus jeweils zwei Kisten in ihren Schlafsäcken. Ich war bereits fertig und lehnte mich nun auf dem klapprigen Klappstuhl zurück. Die Füße hievte ich hoch auf die Brüstung und meinen Kopf drehte ich so, dass ich Normalerweise beim Verstauen seiner Munition zusehen konnte.
Es war schon richtig, dass wir sie in unsere Schlafsäcke einrollten. Die Hände blieben frei, schnallten wir die Schlafsäcke auf den Rücken. Und mehr Ballast nahmen wir ohnedies nicht mit. Wofür auch, wir hatten ausreichend Munition.
Es war schwülwarm und unangenehm ruhig. Nur vereinzelt hallten weit entfernte Bombendetonationen und das Knattern schwerer Maschinengewehre herüber. Ich mochte diese Art von Stille nicht. Man war sich nie ganz sicher, ist da nun ein Krieg oder ein Volksfest im Gange. Letzteres mochte ich nämlich auch nicht. Diese ewige Zuckerwattenfresserei – und an jeder Ecke blind um sich reihernde Gören. Nein, Volksfeste sind nicht so furchtbar aufregend. Und lustig auch nicht. Mein Faible galt handfesten Kriegen. Auch wenn man sich nie sicher war, worum es bei derartigen Schlachtfesten eigentlich ging und auf welche Seite sich die Guten schlugen. Aber das machte auch nichts. War der Rausch erst einmal verflogen, taten die Sieger zwangsläufig das, was sie versprachen: Alles zum Guten wenden und ganz bestimmt nicht, wonach das Volk begehrte – so blöd ist keiner.
Als Faustformel für Gut und Böse galt: Wer das meiste zahlt, hat auch die meisten Freunde im Ausland. Weil eben nur der Gute finanzkräftige Freunde hat.

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