Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Zweiunddreißigster Teil
Mit mir und der Welt im Einklang kehrte ich in meinen Unterschlupf zurück.
Astrid saß unter dem Fenster gegenüber der Wohnungstür. Zwischen den Schenkeln der übereinandergeschlagenen Beine ein Päckchen holländischen Tabak.
Sie drehte ihre Zigarette fertig, riss die überstehenden Tabakenden ab, klemmte die Selbstgedrehte zwischen die Lippen und hielt die Flamme eines Feuerzeugs dagegen. Ein dichter, weißgrauer Schleier verhüllte ihr schönes Gesicht – gemächlich hob er sich zur Decke.
„Lass uns duschen“, schlug sie vor und lächelte erschreckend glücklich zu mir herauf, als habe sie sich soeben eine volle Dröhnung reingezogen.
Wie immer bei angesagten Begegnungen dieser Art kam ich auch dieses Mal eine Stunde früher. So blieb mir ausreichend Zeit, mich umzusehen. Weiträumig ging ich dreimal um die Anlage herum, streifte auch die Straßenbahnendhaltestelle und den Tiergarten. Dann verzog ich mich hinter einen Busch und beobachtete geduldig die Zufahrt.
Es war nichts Ungewöhnliches daran, dass sich kein einziger Wagen auf dem Parkplatz befand. Früher standen hier die Baracken einer Polizeikaserne. Nach ihrem Abriss blieb ein riesiges Gelände, das hauptsächlich von der Natur und Wochenendausflüglern genutzt wurde. Ein Großparkplatz, umgeben von einer grünen Anlage zur Befriedigung von Bedürfnissen aller Art. Man musste schon ein rechter Fuchs der örtlichen Gegebenheiten sein, wollte man sich nicht hinter das falsche Häufchen ducken. Doch ein Wolf ließ sich nicht so ohne Weiteres düpieren.
Mein kleines rotes Auto parkte übrigens einige Querstraßen entfernt vor einem Haus mit den Ausmaßen einer geräumigen Villa.
Mit achtminütiger Verspätung tuckerte Kerkers Dienstpolo heran: alt, hässlich, laut, stinkend und grün. Etwa 25 Meter vor mir brachte er das Liebhaberstück vagabundierender Straßengangs zum Stehen. Er war allein. Als ich das Knacken der Feststellbremse vernahm, wartete ich noch einige Sekunden, bis ich die Äste des Busches zur Seite drückte und mich ihm, mit nach vorn gebeugtem Oberkörper, lautlos näherte.
Als ich die Beifahrertür mit einem Ruck aufriss, fiel Kerker in sich zusammen und warf den Kopf herum: Seine Augen weiteten sich vor Schreck, sein Mund stand halb offen. Ich schmunzelte und setzte mich neben ihn.
„Ohne Bart hätte ich Sie beinahe nicht erkannt“, sagte er aufgesetzt fröhlich und grinste schmerzverzerrt.
„Dummer Spruch. Da hab ich was Besseres anzubieten: Wohl an denn, lasset uns speisen!“, und in einem elegant flüssigen Bewegungsablauf zog ich meinen Revolver aus dem Hosenbund und stieß ihn ihm zwischen die Zähne. Gleichzeitig verfing sich meine Linke in seinen Haaren.
Wie schockgefroren verharrte er in seiner Position. Selbst das dumme Grinsen in seinen Zügen glaubte ich noch auszumachen.
Sie hätten mich sehen sollen, ich war wirklich sauschnell. Eine Spur Leben kehrte in ihn zurück, als ich den Hahn spannte und leise und besonnen zu ihm sprach: „Nicht schlecht, hä? Ging dir wohl etwas zu schnell? Für Wiederholungen haben wir keine Zeit. Spiel nicht den Überraschten. Hast wohl schon vergessen, dass ich niemals ohne Waffe aus dem Haus gehe.“
Panische Angst verdrängte das Grinsen aus seinem Gesicht und ließ es wie eine aus Stein gemeißelte Maske wirken. Eine erbärmliche Schlappmütze mit Rachenputzer im Hals.
„Sei lieb zu ihm. Was, wenn ich jetzt abdrücke? Richtig: Dann bekomme ich Ohrensausen.“
Ich lachte über meinen Witz und den Schweiß, der ihm über Schläfen und Hals rann.
„He, he, ich darf doch um eine bessere Zungenarbeit bitten. Lass dich nicht so hängen. Ist ja ekelhaft. Immer locker bleiben. Entspann dich. Niemand will dir etwas Böses. Artig die Zunge kreisen lassen. Und glotz mich nicht so verspielt an!“
Was mochte in diesem Häufchen Geheimhaltung, das am Lauf eines geladenen Revolvers schnorchelte, vorgehen? Mit welchen Prozessen sein Magen kämpfen? Was spielte sich in seiner Hose ab? Ich wusste es nicht. Und genau genommen war es mir auch völlig egal. Seine feuchten Augen, die mit einem ausgesprochen blöden, ich möchte fast sagen, irrem Blick, jede meiner Bewegungen verfolgten und das Tröpfchen an der Nasenspitze – mehr zu wissen war wirklich nicht notwendig.
Langsam, ihn in Sicherheit wiegend, zog ich den Lauf aus seinem Mund, um ihn sogleich ein Stückchen weiter oben unter der Nase neu zu platzieren.
„Leg deine Handflächen auf die Knie und halt das dämliche Vereinskostüm fest.“
Er trug einen dieser hellen Bogart-Trenchs. Gott, wie verspielt Beamte sind.
„Red schon, Scheißefresser! Ist nicht von mir, sondern meinem Freund Rettich.“
War es mein zuvorkommender Ton, der diese erstaunliche Wende herbeirief? Oder die paar Gramm Stahl auf der Oberlippe? Wie auch immer, es bewirkte eine beeindruckende Veränderung. Plötzlich sprudelte es ungefragt aus ihm heraus.
„Sorbete arbeitet für uns. Nein, nicht ganz. Er arbeitet für die Spanier. Die haben ihn festgesetzt und umgedreht. Dank Ihrer Vorarbeit. Damals als Sie oben waren, sich mit ihm treffen wollten. Die haben ihn unter Druck gesetzt, bis er letztlich einwilligte. Damit waren Sie draußen. Für die ETA vielleicht noch interessant, nicht aber für uns. Seien Sie froh darüber. Hätten Sie weiter gewühlt, wären Sie heute womöglich schon nicht mehr am Leben. Irgendeine Seite hätte sich schon was Passendes einfallen lassen. Mit einem Job in den Niederlanden wollte man Sie doch nur davor bewahren, begreifen Sie das doch endlich. Wir sind Ihnen dankbar, Bonn lehnt aber jede Regulierung ab. Eine rein politische Entscheidung. Darauf haben wir keinen Einfluss. Und daran wird sich auch nichts ändern, wenn Sie jetzt durchdrehen. Hören Sie auf damit. Nehmen Sie die Waffe weg. Das ist gefährlich, was Sie da tun. Mit dem, was Ihren Freunden in Spanien zustieß, haben wir nichts zu tun. Das ist die Wahrheit. Wir vermuten die GAL dahinter. Vielleicht war es auch die ETA oder ein anderer Dienst, aber nicht wir. So was tun wir nicht. Gehen Sie. Sie sind doch ein gescheiter Junge. Ich bin gekommen, weil ich Sie noch einmal persönlich sprechen wollte, um Ihnen nahe zu legen, dass es besser für Sie ist, wenn Sie aus Deutschland verschwinden. Suchen Sie sich anderswo einen Schauplatz. Glauben Sie mir, wir werden Sie nicht hindern“, sein verschwitztes Gesicht rötete sich, Kerker rang um Atem.
„Ja, Dieter, alberne kleine Lederhose, die Wege eines Abtrünnigen sind unerforschlich. Abgründig sind die Wege der Abtrünnigen. Und Jungen suchen sich niemals einen Schauplatz, sondern einen Spielplatz, Depp du!“, und gab ihm mit der flachen Hand einen Klaps auf den Hinterkopf.
Er blinzelte nervös und fragte erschrocken: „Woher kennen Sie meinen Rufnamen?“
„Bis eben kannte ich ihn nicht. Siehst eben aus wie Dieter. Was ich aber kenne, ist deine Hütte in Fürstenfeldbruck.“
Bei diesem Geständnis wich ihm dann doch wieder alle Farbe aus dem Gesicht. Ein kümmerlicher weißer Fleck, mehr war von ihm nicht geblieben. Jemand sollte ihn endlich wegwischen, er roch bereits.
„Ich wollte dich besuchen, aber du bist mir entgegengekommen.“
Weißer cremiger Schaum sammelte sich in seinen Mundwinkeln. Er atmete schwer und sah mir in die Augen. Auch ich sah ihm in die Augen – und drückte ab.
Leise machte es Klick und verzögerungslos entfleuchte Kerkers Röhre ein monumentaler Furz in unsere beschauliche Männerrunde. Es stank fürchterlich. Aber nicht deswegen allein, er transpirierte auch noch schamlos vor sich hin.
„Es gibt Dinge, Vorkommnisse, Ereignisse, die zu entschuldigen ich weder gewillt noch imstande bin“, sagte er erstaunlich gefasst, kaum dass sich seine Reviermarkierung verflüchtigt hatte.
„Quatsch nicht so geschwollen daher, sonst wirst du dich gleich bei deinem Schöpfer entschuldigen müssen, dass du vorfristig an seiner Pforte um Einlass ersuchst.“
„Sie sind doch auch nicht besser.“
„Schnauze! Ich treffe die Entscheidungen!“
„Eine Frage.“
„Die zugleich deine letzten Worte sein könnten.“
„Hätten Sie tatsächlich abgedrückt?“
„Darauf kannst’ aber gleich noch einen lassen. Finaler Rettungsschuss. Kennst’ doch. Gruß ans Kleinhirn. Peng!“, und ließ meinen Kopf mit heraushängender Zunge und weit aufgerissenen Augen zur Seite fallen. „Keine Panik, es hätte erst nach dem dritten Klacken Bums gemacht“, ergänzte ich und grinste ebenso blöd wie er zu Beginn.
„Sie sind irre.“
„Ganz bestimmt sogar.“
„Wie soll es nun weitergehen?“
Ich fummelte eine Zigarette aus der Schachtel in meiner Jackentasche, zündete sie mir an, wechselte den Revolver von der rechten in die linke Hand, drückte ihn ihm auf die rechte Wange und setzte mich bequem zurecht. „Bei mir daheim ...“, begann ich und sah hinaus auf die Reihe Büsche vor uns. „Mein Vater bekam Fleisch zum Abendbrot. Jeden Abend. Mal mit Kartoffeln, mal mit Nudeln, mal mit Reis, aber immer mit Fleisch und Gemüse und Soße. Ich bekam Schiebewurscht. Kennt ein Weißwurschtfresser Schiebewurscht?“
„Äh … äh.“
„Drei Scheiben Brot und ein Scheibchen Wurst. Das Ding war so dünn und wässrig, dass Vaters Fleisch hindurch noch größer erschien. Du legst sie locker aufs Brot und schiebst sie mit der Oberlippe weiter, wenn du ins Brot beißt. Erst gegen Ende der letzten Scheibe kommst du in ihren Genuss. Ich will keine Schiebewurscht mehr – niemals wieder. Ich will Fleisch, und zwar große Stücke. Ich werde es bekommen. Sag es jedem, der behauptet, mein Freund zu sein.“
„Wie Sie reden ... Sind Ihre Eltern verschieden?“
„Nein, total ähnlich. Ähnlicher geht’s kaum.“
„Ich meinte, sind sie verstorben?“
„Ach so. Weiß nicht. Überlegen wohl noch.“
„Überlegen?“
„Wem sie in die Fresse schlagen, wenn jeder in seiner Kiste liegt. Jetzt reicht’s aber! Wohl blöd geworden!“
Hier war nichts mehr zu holen. Ein Eingeständnis, das mich keineswegs in Euphorie versetzte.
„Besten Dank fürs Kommen ... und eine schöne Zeit noch!“
Ich nahm den Revolver aus seinem Gesicht und stieg aus.
„Rufen Sie mich an, wenn ich etwas für Sie tun kann“, krächzte Kerker.
„Bin ich dein Callboy?“, und warf die Tür zu.
Ein langer Weg lag vor mir, wollte genommen werden. Ich war müde, aber auch zufrieden. Auf dem Nachhauseweg beurteilte ich mein Handeln durchweg positiv und als gerechtfertigt. Nicht ein Fehler war mir unterlaufen. Kerker nässte seine Polster ein und ich erfuhr, wonach ich suchte. Allein es half mir nicht weiter. Dialoge führen eben doch nie Veränderungen herbei. Meine Entscheidung war richtig. Ich tat das Richtige, als ich den Bettnässer sich selbst überließ. Nichts konnte von so großer Relevanz sein, diese Type dahin zu schicken, wo er keinen Schaden anrichten konnte.
Ohne Zweifel hatte er es sich sauer verdient. Doch lag mir mehr daran, ihn leiden, sich winden zu sehen. Von nun ab sollte er Tag für Tag ums nackte Überleben kämpfen, seinen Job verlieren und tagtäglich mit einem saftigen Ehestreit konfrontiert werden, weil er zu dämlich sei, sich einen neuen Job zu besorgen, der ausreichend Kohle einbringe. Schlaflose Nächte, Schläge, Scheidung, Schulden bis zum Abwinken und ein gepflegter Suizid kämen meinen Wünschen sehr entgegen.
Ja, ich weiß, manchmal habe ich richtiggehend entzückende Träume. Ich war eben guter Dinge und sah den neuen Aufgaben gelassen entgegen.
Daheim stellte ich mich unter die Dusche. Lange rann kaltes Wasser meinen Körper hinab, belebte, reinigte und nahm es in seinem feinen Strudel durch den Abfluss. Als das Korsett weggespült, sich die Verspannungen spürbar lösten, ich mich wohler und auch irgendwie lockerer fühlte und weitestgehend sicher war, mich auch des letzten Schmutzes meiner Mission entledigt zu haben, trank ich einen Liter Kaffee, rauchte sieben Zigaretten in Kette und warf mich schließlich mit einem Gefühl der Ohnmacht, das sich vor allem durch Übelkeit bemerkbar machte, auf die Matratze und schlief ein paar Stunden.
Und als ich erwachte, schlief die Stadt.
In derselben Nacht schlich ich mich davon.
Im nachtschwarzen Treppenhaus warf ich in den Briefkasten meiner entzückenden Nachbarinnen einen abgerissenen Zeitungsrand: „Männer sind da anders. Sayonara! Wolf“, und stand plötzlich im matten Licht der Hausbeleuchtung.

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