Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Einunddreißigster Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Ich verbesserte Fehler, fügte noch einige Ergänzungen hinzu, steckte ihn dann in den Umschlag, warf meine Jacke über und war gerade im Begriff die Wohnung zu verlassen, als ich durch den fensterlosen Raum mit den beiden Matratzen kam und mich ein kleiner weißer Hintern anblinzelte. Meine Neugier war geweckt. Ich verharrte und suchte im Dunkel nach dem Gesamtbild.

In atemberaubend einschläferndem Tempo hob und senkte sich das knochige Hinterteil auf Eddis zehn Jahre länger gereifter Palme. Und mit jedem Auf und Ab wedelten sie mir, der ich einen Meter hinter ihnen stand, die Ausdünstungen ihrer ungewaschenen Leiber entgegen.
Eddi, unbeweglich auf dem Rücken liegend, die Arme hinterm Kopf verschränkt, starrte zur Decke. Die Kleine arbeitete und stützte sich dabei mit den Händen neben Eddis Kopf ab. Kein Wort, kein Stöhnen war zu hören. Lediglich ein quietschendes Geräusch drang durch die Gruft. Etwa so als Pumpe jemand mit verkanteter Luftpumpe die Reifen seines Fahrrades auf.
„Wie sagte Karl Marx noch gleich: jedem nach seinen Bedürfnissen? Erdolch die Kleine nicht“, konnte ich mir nicht verkneifen und ging dann aber auch gleich.
Nur den Wink auf das Verbot von Kinderarbeit behielt ich für mich.

Nachdem ich den Brief kopiert und das Original einem Postkasten übergeben hatte, rief ich bei Seiler an. Der Rufsammler nahm ab und ich sagte: „Liebe Grüße an Inge von Ossi.“
Von da ab hieß es: Warten. Und weil ich alles andere als ein geduldiger Wolf war, erzog ich mich in diesem Fall selbst. Denn für mich stand fest: In zwei Wochen würde ich auf dem Hauptpostamt meine Postlagerkarte vorlegen und ein wie üblich müde dreinblickender Postbeamter händigt mir nach kurzen, umständlichen Grabungen, aus einem Holzkästchen bergend, triumphierend einen Briefumschlag aus. Schneeweiß, im Format A6, sehr dünn, unauffällig und ohne Absender. Sein Inhalt: mein sauer verdienter Lohn – ein Scheck mit einer Eins, einer Fünf und vier Nullen. Das Komma nach der letzten Null. Ausgestellt auf US-Dollar.

Jeden Morgen beanspruchte ich für mein Frühstück den einzigen Stuhl und den einzigen Tisch in dem Raum, den ich für die Küche hielt. Frühstück war sehr wichtig für mich. Ohne Frühstück konnte es keinen Guten, und schon gar keinen erfolgreichen Tag geben.
Zwei Brötchen, ein Glas Heidelbeermarmelade und eine halb gefüllte Tasse Kaffee standen vor mir. Ich rauchte meine Zigarette zu Ende und bestrich ein Brötchen mit Marmelade als Eddi in seiner ausgeleierten, verschiedenfarbig verwaschenen Unterhose stumm an mir vorbeitrabte.
Seine Bewegungen hatten etwas Traumwandlerisches, was bei dem Typ nicht weiter verwunderte. Seelenruhig erledigte er sein plätscherndes Morgengeschäft in die Pferdetränke vor meiner Nase. Stechende Urinschwaden waberten über meinen Frühstückstisch. Ich biss in mein Brötchen.

Mit einem letzten Stöhnen drehte er sich zu mir herum und schüttelte noch einige Male kräftig seinen Eddi, bevor er ihn wieder nach Hause schickte.
„Du ...“ begann er, entlang der Fingerkuppen seiner Pinkelhand schnuppernd.
„Halt einfach nur die Schnauze“, unterbrach ich ihn, „und schleich dich! Merke dir eines für die Zukunft: Wenn ich hier frühstücke und mir dabei noch einmal deine Kinderfickernille vor die Augen kommt, kannst du sie mitsamt deinen Glocken rahmen lassen und als Stillleben an die Wand baumeln.“
„Das ist meine Wohnung. Hier kann ich Tun und Treiben, was und wie es mir passt.“
„Das heißt, pisst“, knurrte ich, kniff die Augen zusammen und sah zu ihm auf: „Sagtest du, Wohnung?“
„Ich wollte dir sowieso gerade sagen, dass du nicht länger hier wohnen kannst.“
Meine Antwort bestand aus Achselzucken.
„Du machst mich nervös. Ich kann nicht mehr richtig schlafen. Ich fühle mich eingeengt.“
„Friss den Rest Putz von der Wand.“
Was ihn heimsuchte, ging mir in etwa genauso nach wie ein verstopfter Abort in Nowosibirsk.
„Jetzt bin ich aber betroffen. Du solltest nicht meine Tränendrüsen reizen. Besorg was anderes, dann gehe ich“, sagte ich und biss genüsslich in mein Brötchen.
„Du musst dich selber um was kümmern.“
„Werde ich sicherlich nicht“, und spülte den letzten Bissen mit Kaffee runter.
„Dann schau ich mich eben um“, sagte er trotzig und trottete, so als denke er konzentriert nach, sich am Hintern kratzend davon.

Eddi war ein wirklich sehr einsichtiges und handlungsfähiges Kerlchen. Bereits tags darauf zog ich in eine neue Wohnung. Zwei helle, völlig leere Zimmer nur für mich allein. Sie gehörten zu einer sich direkt darunter befindenden Kneipe namens „Apfelbaum“, die jedoch, wie Gregor bemerkte, schon seit Ewigkeiten geschlossen habe. Das Allerschönste aber war, in dieser Wohnung gab es etwas, wonach ich mich schon seit wer weiß wie lange sehnte: eine Dusche. Eine funktionierende Dusche, wohlgemerkt.

Von irgendwoher besorgte Gregor eine Matratze und eine Decke. Keine Schmuckstücke, aber nützlich und brauchbar.
Dennoch verbrachte ich die erste Nacht nicht in meinem neuen Heim, sondern bei Angelika. Ich kannte sie aus meiner aktiven Zeit für den kleinen Bruder und begegnete ihr am Abend rein zufällig im „Roten Stern“, wo ich mich mit Gregor verabredet hatte. Doch er ließ mich hängen. Es machte mich nicht traurig, denn Angelika war weitaus unterhaltsamer.
Wir kippten reichlich kühles Bier, welches mit jedem Blick, der den Körper des anderen streichelte, eine nachgerade schmerzhaft brennende erotische Energie entfaltete.
„Fehlfarben“ grölten aus den Boxen und Angelika schrie mich an, dass sie am Nachmittag aus München, wo sie seit einiger Zeit lebe, gekommen sei, um ihrem Schwesterchen Rosi einen Besuch abzustatten. Gott, wie mich ihr Geschwafel antörnte. Schon seit Stunden befasste ich mich mit so elementarem wie: bei dir oder bei mir. Leider könne sie aber nur anderthalb Tage bleiben. So lange wird es bei uns gewiss nicht dauern, dachte ich mir, und behielt endlich mal recht.

Als sie sich am nächsten Morgen verabschiedete und mir mit den Worten „Ruf mich an, wenn du mal in München bist“ feierlich ein Zigarettenpapierchen mit ihrer Telefonnummer überreichte, fragte ich sie: „Wo ist eigentlich Peter abgeblieben?“
Eine Frage, deren Antwort mich nicht im Geringsten interessierte. Es war nur, weil ich Abschiede verabscheute. Gelang es mir einmal nicht, sie zu umgehen, gab ich mein Bestes, das Austrocknen meines Inneren in oftmals recht dummen Fragen zu ertränken.
„Ja, danach habe ich Gregor auch schon gefragt. Er sagte, das Letzte, was er von ihm gehört habe – so vor drei oder vier Wochen –, war, dass er nach Österreich wolle.“

Nach Verstreichen der zwei Wochen Stillhaltefrist stopfte ich meine Habseligkeiten in meinen Seesack und warf ihn auf die Rücksitzbank meines kleinen roten Autos. Eine Rückkehr nach Fürth schloss ich aus. Mein Ziel hieß Estepona. Der Scheck, den ich erwartete, würde mir helfen, einige Zeit ohne Engagement zu ertragen. Und dann ab nach El Salvador. Oder Nordirland?
Gar kein schlechter Gedanke: In Nordirland könnte ich mir was Eigenes aufreißen und endlich wieder mein eigener Herr sein. Zumindest bis zu dem Tag, an dem ich die Knete verfressen haben werde. Jeden verdammten Dollar werde ich sinnlos hinauswerfen. Tage der Fettlebe. Was soll ich auch mit der Scheiße, bis zur Rente schaffe ich es sowieso nicht.

Am vorletzten Schalter, hinten rechts, legte ich im Hauptpostamt mein rotes Kärtchen mit der Postlagernummer auf den Drehteller. Wenige Augenblicke später, ich stand sinnend über die Höhe des Sortenkurses US-Dollar/DM vor der Glasscheibe, entschuldigte sich das wohlgenährte, vermutlich weibliche, Schaltergespenst in schleppendem Ton, eben noch hörbar durch die Sprechmembran, dass nichts für mich gekommen sei.
Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich ihr in die Augen, die mir zu verstehen gaben, mir gefälligst jedwede Rückfrage zu verkneifen.
Abrupt löste ich mich von ihr und ging in großen, zügigen Schritten zu meinem Wagen, der vor dem Hauptbahnhof parkte. Doch trotz wiederholtem Anlauf, der Schlüssel passte plötzlich nicht mehr ins Türschloss. Wütend warf ich ihn zu Boden, bückte mich nach ihm und maulte ihn an: „Wo ist der verdammte weiße Umschlag mit meinem Scheck? Sprich, du Sau!“
Er passte noch immer nicht. Ich verspürte heftiges Pochen am Hals, mein Puls raste und Adrenalinattacken schossen pfeilschnell durch meinen Körper.

„Freitag. Natürlich Freitag. Freitag ist ein Scheißtag. Eure Schonfrist ist vorbei! Vorbei, vorbei, vorbei! Habt ihr gehört? Vorbei mit Schonzeit!“
Ich warf den Kopf in den Nacken, sah in den Himmel – kaum ein Wölkchen verdeckte sein strahlendes Blau –, atmete mehrmals tief durch, ging in die Hocke, peilte über den Schlüssel das Schloss an und führte ihn ganz behutsam ein.
Für den Nachmittag verordnete ich mir Ruhe. Sehr viel Ruhe. Ich musste mit mir allein sein, um einen notwendig gewordenen Regenerationsprozess einzuläuten. Aber auch, um mir Rechenschaft abzulegen. Eigentlich war gegen das Verhalten des großen Bruders nichts Grundlegendes einzuwenden. Wahrscheinlich hätte ich mich in einer ähnlichen Situation kaum anders verhalten. Wer weiß das schon. Und doch – na ja, ich gebe zu, es ging auch ums Prinzip. Aber nur ein bisschen. Prinzipiell war gegen Methoden, wie sie nunmehr zur Anwendung kamen, nichts einzuwenden – jedenfalls solange sie nicht mich betrafen. Gleichzeitig hatte ich aber auch den Punkt erreicht, an dem ich es ein für alle Mal satthatte, immerzu meinem Sold nachzulaufen.

Sie sehen ja selbst, wie aufreibend so was in meiner Branche sein kann. Und wenn ich schon beim Thema bin, möchte ich in aller Bescheidenheit noch einmal meine hervorragenden Leistungen, die regelrecht nach einer angemessenen sechsstelligen Entlohnung schrien, erwähnt wissen.

Allein ich kam nicht weit mit mir. Anhaltendes, ungeduldiges Klopfen ließ mich erzürnt die Tür aufreißen – und schon waren Zorn und Vorsätze vergessen. Das hat man nun davon, wenn man nur sich selbst im Kopf hat und dabei die jugendliche Vitalität seiner Nachbarinnen vernachlässigt. Bea hielt eine große Kanne Kaffee und drei Tassen, Astrid eine offene Porzellandose mit Würfelzucker und eine Packung H-Milch vor mir hoch. Ihr beider einnehmendes Lächeln, Beas prachtvolles langes, Astrids noch schöneres kurzes rotes Haar – ich brachte es einfach nicht übers Herz, den beiden wie auch den alles überdeckenden Duft des Kaffees zu widerstehen. Es war in der Tat nicht einfach für mich. Ich litt, wie Sie zweifellos richtig vermuten, unter unerträglichen Tantalusqualen, die mich nur dank meiner besonders stark ausgeprägten Fähigkeit der Selbstdisziplinierung vor dem Wahnsinn bewahrten.

Irgendwann, wir saßen auf der Matratze, rauchten und schlürften heißen Kaffee, fragte ich, um eine langsam peinlich werdende längere Pause zu beenden: „Kann ich am Montag mal rüberkommen und euer Telefon benutzen?“
„Aber immer!“, sagte Bea und schenkte mir Blicke, die mir das schmerzhafte Anschwellen meiner Blase bewusst werden ließ.
Sie machte es mir unmöglich, mich zu erheben, wollte ich nicht etwas eingestehen, was ich für die Nacht Astrid zugedacht hatte.

Nach meinem dritten Frühstück mit Astrid in Folge nahm ich den Hörer zur Hand und ließ mich mit Kerker verbinden. Montag war ein guter Tag, denn montags traf man ihn garantiert in der Firma an. An diesem Tag koordinierte er seine Termine der Woche. Als ich noch auf ihrer Lohnliste stand, meldete ich mich grundsätzlich montags.
Ohne mich anzuhören, setzte er sogleich ein Treffen für Dienstag, 13 Uhr, fest und legte umgehend wieder auf.
Zweifelsohne verhielt sich Kerker recht merkwürdig, doch mich beschäftigte ganz was anderes.

Unmittelbar nach Kerkers Ansage ging ich auf das Postamt am Fürther Bahnhof und verglich die Vorwahlnummern aus einer kleinen, schmierigen, gelblichen Schwarte mit einem Eintrag meines Notizbuches. Als ich nach über einer Stunde fündig wurde, bat ich um das Telefonbuch für München und Umgebung. Und nach weiteren vier Stunden hochkonzentriertem Studium hatte ich ihn. Ich triumphierte, war drauf und dran schreiend und klatschend durch die Administration unausgeschlafener Vorruheständler zu hüpfen. Jeder Zweifel ausgeschlossen: Seiler war Lenz, und Lenz hieß Martin Lenz, und Martin Lenz versteckte sich in Gumpersdorf auf der Freisinger Straße 87.
Vermutlich ein Einfamilienhaus, denn es gab keine weiteren Einträge, die ich dieser Anschrift zuordnen konnte. Ich liebte diese Republik, die jedem mündigen Bürger auferlegte, sich über das Telefonbuch vor Voyeuren wie mir zu entblößen.

Copyright © 1993 - 2025 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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