Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Dreißigster Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Ich flüchtete mich in eine Telefonzelle an der Straßenecke vor der Folterkammer und rief in Estepona an. Biggi nahm ab.
„Öffentlich-rechtliche Besamungsanstalt. Fräulein Spermie, mein Name. Wären Sie so liebenswürdig ...“, sagte ich mit hoher Stimme. Weiter kam ich nicht. Ein dumpfer Knall kappte meine Einleitung.

Als sich kurz darauf Ulli meldete, kam ich nicht mehr zu Wort. Er sagte: „Hallo!“, und dann platzte es aus ihm heraus. „Die letzten beiden Nächte wurde bei uns im Laden eingebrochen. Das Gesindel hat nichts geklaut, nur gewühlt. Sogar in der Kühltruhe und im Mehl. Auch Teresa hatte Besuch. Vorgestern war der Abschaum bei ihr im Haus. Auch da haben die nichts mitgehen lassen, nur sämtliche Schränke ausgeräumt und das Scheißhaus abgebaut. Der absolute Hammer aber kommt noch.“ Seine Aufregung steigerte sich von Satz zu Satz. Er redete ununterbrochen, schnappte immerfort nach Luft und transpirierte höchstwahrscheinlich wie ein alter Konditormeister. „Am helllichten Tag flog ihre Cerveceria in die Luft. Gestern Morgen. Sie schloss gerade die Tür auf, da gab’s drinnen einen mächtigen Knall. Bum! Und das war’s dann. Sie hatte Glück, kam ohne einen Kratzer davon. Ursache unbekannt. Alles hinüber. Völlig ausgebrannt. Keiner weiß was, keiner hat was gesehen.“ Diesmal ließ er sich etwas mehr Zeit beim Schnaufen. Ich hörte das Klicken eines Feuerzeuges. „Ach ja, vorgestern hat die Guardia Civil Antonio festgenommen, weil er angeblich in einem geklauten Wagen unterwegs war. Sonst kümmert sich hier keine Sau um geklaute Autos, weißte ja selbst. Außerdem kann Antonio gar nicht Auto fahren. Selbst dazu war der zu blöd. Na ja, jedenfalls krepierte der arme Hund einige Stunden später an einer Überdosis Heroin, wie es heißt. Sag, was läuft hier ab? Was ist das für eine verdammte, durchgeknallte Scheiße?!“
Bei der letzten Frage überschlug sich seine Stimme. Er schrie und ich nahm den Hörer nicht vom Ohr.
Ich sah hinaus: Es nieselte. Auf der Straßenseite gegenüber kläffte ein vorwitziger Pekinese, kaum größer als ein Schuhkarton, eine an ihm vorbeistolzierende Deutsche Dogge an. Oma zerrte an der Leine. Verbissen hielt sie das wahnwitzige Großmaul mit beiden Händen zurück. Die attackierte Dogge würdigte den Winzling eines kurzen mitleidvollen Blickes und ging ihrer Wege. Aufs Höchste zufrieden tätschelte Herrchen den Kopf des Kalbes.
„Ich weiß es nicht. Ehrlich. Ich melde mich wieder. Tut mir leid, Alter. Hasta Luego!“

Zärtlich strich ich mit der flachen Hand über die Wölbung meines Bauches und spürte den Revolver unter der Jacke. Es war ein gutes, ein beruhigendes Gefühl. Was mir Ulli erzählte, bestärkte mich nur noch mehr in meinem Entschluss. Tief drinnen tat es mir weh, dass ausgerechnet er es war, der das erleben musste. Etwas weiter an der Oberfläche, berührte es mich nicht mehr. Nicht im Geringsten. Hassgefühle trüben die Sinne. Ich brauchte einen klaren Kopf und ausgeglichene Sinne, wollte ich mit heiler Haut dem Schicksal glücklich entrinnen. Dass sich dennoch kalter Schweiß auf meinem Rücken bildete und meine Hand zitterte, als ich Kerkers Geheimnummer wählte, konnte alles Mögliche bedeuten und Tausende Ursachen und Erklärungen vermuten lassen.

Es gab sie nicht mehr. Oder anders ausgedrückt: Jetzt war seine Nummer geheimer als geheim. Wie war es möglich, dass eine ordinäre Telefonnummer die Sicherheit Deutschlands gefährdete? Solche Spinner aber auch. Zuletzt wählte ich seine Nummer, als ich ihn nach meinem letzten Gespräch mit Seiler – und der darauffolgenden Bestellung bei Benno – über die Arbeitsweise des großen Bruders informierte. Ohne besonderen Grund. Ich hatte einfach nur das Bedürfnis, mit jemandem darüber reden zu müssen.

Also erfragte ich über die Telefon-Auskunft die Nummer der Zentrale in München, rief dort an und ließ mich verbinden. Funktionierte auch – ganz prima und völlig problemlos, quasi ungeheimnisvoll.
Den Hörer in der Linken, die Rechte auf dem Bauch ruhend, lauschte ich Kerkers gespreiztem Erguss.
„Nach Ihrem letzten Anruf haben wir einige Ermittlungen in Ihrer Angelegenheit geführt und empfehlen Ihnen, sich aus Gründen Ihrer Sicherheit aus allem Weiteren herauszuhalten. Auch wir werden den Kontakt zu Ihnen auf das Notwendigste beschränken. Der Sicherheitsaspekt bezieht sich dabei nicht auf unser Haus, sondern ausschließlich auf Ihre Person und könnte für Ihre spätere Zukunft unter Umständen negative Folgen nach sich ziehen.
Derzeit suchen wir nach einer Möglichkeit, mit Ihnen persönlich in Kontakt zu treten. Wo sind Sie eigentlich? In Spanien?“
„In einer Telefonzelle“, sagte ich kurz und legte auf.
Wie konnte dieser Mensch all das wirre Zeug aufsagen, ohne auch nur einmal hängen zu bleiben? Hörte sich ein klein wenig an wie abgelesen, zumindest aber wie auswendig gelernt. Und sonderlich überrascht schien er über meinen Anruf auch nicht zu sein. Oder er ließ es sich nicht anmerken. Ein Profi eben.

Vielleicht sollte ich mir das Telefonieren überhaupt abgewöhnen. Zwei Anrufe, zwei Mal komme ich nicht zu Wort. Verdammt! Wer hat denn wen angerufen? Wer zahlt, wird doch wohl noch das Recht haben, angehört zu werden.

Was wussten die Dunkelmänner? Schon einmal warnten sie mich. Es lag etwa zweieinhalb Jahre zurück, als mir Spehr empfahl, besser auf mich und meine Umgebung zu achten. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass sich die Stasi für mich interessiere und bald schon versuchen werde, mich zu kontaktieren. Ich sagte ihm, dass ich mir von ihm keine Paranoia verpassen lassen werde. Und wenn er mal intensiver nachdenke, würde ihm sicher auch etwas Originelleres einfallen, mich loszuwerden. Er antwortete mit einem Netter-Onkel-Grinsen. Dennoch tat ich dem Spinner den Gefallen und passte auf, bemerkte aber nichts. Weder die Stasi noch ein anderer Geist trat zu jener Zeit an mich heran.
Etwas Schlaf könnte nicht schaden, überlegte ich, streichelte unbewusst über meinen Bauch und entschied, Nebensächliches auf später zu verschieben.

In Nürnberg beehrte ich McDonald’s mit meinem Besuch und fuhr nach fünf Hamburger, drei Cola, einem Kaffee und einem Salatteller weiter nach Fürth in die Ottostraße.
Ich kann nicht sagen, dass Gregor überwältigt war, als er mir die Tür öffnete. Der schlagartigen Lähmung seiner Gesichtszüge nach zu urteilen, ging es ihm kaum besser als mir damals in Estepona. Und wahrscheinlich dachte er sich auch einen dieser Sätze, in denen sich Worte wie Scheiße und Verschwinden wiederholen – wie ich damals. Aber das kümmerte mich wenig.

Höflich, wie ich war, sah ich über seinen Groll hinweg und machte es mir in seinem Heim gemütlich. Das musste einfach sein, denn zum einen schlief ich schon beim Gehen und zum anderen brauchte ich für die nächsten Tage ein festes Dach über dem Kopf.
Die Dielen waren hart und kalt; und die Decke, die er mir gab, reichlich dünn. Aber ich schlief und schlief und schlief. Es war eine sehr erholsame, Kräfte speichernde Nacht.

Nach zwei Pötte dünnem Kaffee und drei Zigaretten machte ich mich zur Mittagszeit des nächsten Tages auf, meine Kriegskasse durch das gezielte Plündern meines Kontos in Nürnberg aufzubessern. Den Revolver ließ ich natürlich im Wagen.
Leichtfüßig kehrte ich nach etwas mehr als einer Stunde der Sparkasse den Rücken. Die Kontoauflösung brachte mir über 15.000 D-Mark ein.

Später traf ich mich mit Gregor im „Roten Stern“, der Kneipe im Erdgeschoss des Hauses, in dem wir wohnten. Hier war der Gast noch König. Hier konnte er einfach alles tun, wonach ihm war – und kaum einer schlug die Einladung aus.

Es roch nach Bier, abgestandenem Tabakqualm, verstopfter Toilette und Mageninhalt. Ich atmete mehrmals tief durch, um mich schnellstmöglich mit den herrschenden Bedingungen vertraut zu machen. Die Sohlen meiner Schuhe rutschten über den Boden. Jeder Schritt hinterließ ein schmatzendes Geräusch. Doch nicht der schwarzen Farbe wegen. Die schien längst getrocknet. Nein, irgendwelche Ausscheidungen, Getränke, Nahrung, Abfälle oder was weiß ich – jedenfalls hatte ich schleunigst meine Gangart den Gegebenheiten anzupassen, denn krankenversichert war ich nicht.

Scheinbar zufällig hingeworfene Plakate, die vergangene politische Ereignisse ankündigten, unterbrachen das Schwarz der Decke und Wände. Am Ausschank, gleich links vom Eingang, stritten sich drei Punks über die Zeche, beziehungsweise über das, was jeder von ihnen bereit war zu zahlen – oder eben nicht.

Ich setzte mich neben Gregor auf einen ausrangierten Kinoklappstuhl. Polsterung hatte er zwar keine, war aber wie der Rest des abgewirtschafteten Holzmobiliars mit einheitlich roter Farbe bepinselt und als einer der wenigen von Absonderungen verschont geblieben.
Wir saßen am Scheitel des in rechtem Winkel abknickenden Gastraumes. Vom Eingang bis in die hinterste Ecke, in der ein hübsches Mädchen ihrem hässlichen Freund schmatzend veranschaulichte, wie Empfängnisverhütung garantiert funktioniert, erstreckte sich mein Blickfeld.
Für die Beschallung sorgten „Ton Steine Scherben“, die, als sich Gregor zu mir beugte, um mir ins Ohr zu schreien: „Ich habe etwas für dich gefunden!“, von „Slime“ abgelöst wurden.

Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, was dieser Gregor für mich hätte finden können, und sah desinteressiert auf die Einfahrt. Die Punks hatten gezahlt, waren sich untereinander aber nicht handelseinig geworden. Gegenseitig anmaulend und rempelnd zogen sie ab und schlugen beim Hinausgehen die Tür derart heftig zu, dass meine Unterlippe kurz zuckte und meine rechte Hand reflexartig unter die Jacke zum Hosenbund glitt.
„Ab Morgen kannst du bei dem da wohnen!“, sagte Gregor und zeigte auf ein blondes Vollmondgesicht, das hinten am Billardtisch einem ziemlich jungen Mädchen sein Können vorführte.
„Was ist denn das?!“
„Eddi! Ist ganz in Ordnung!“
„Soso, ein Eddi also! Und wo lebt ein Eddi?!“
„Keine fünf Minuten von hier!“
Gregors Vorschlag gefiel mir vor allem deshalb, weil ich ohnehin beabsichtigte, meine Aufenthaltsorte, sooft es nur ginge, zu wechseln.

Eddis Wohnung – oder das, was er und sein Vermieter dafürhielten – befand sich auf der zweiten Etage eines längst abgeschriebenen Mehrfamilienhauses. Sie hatte etwas von der Behaglichkeit eines wiederholt getroffenen Luftschutzbunkers und bestand aus zwei fensterlosen Räumen. Einem Dritten drückte er das Etikett Küche auf. Vermutlich, weil in ihr ein Wasserhahn über ein lang gestrecktes Becken montiert war, das viel von einer Pferdetränke hatte. Zwei fleckige Matratzen, ein Tisch, ein Stuhl und einige vergammelte Obstkisten, zu Regalen übereinandergestapelt, machten das Ganze auch nicht wohnlicher.
Eddis Zuhause verfügte weder über Strom noch Warmwasser. Einen Ofen suchte ich ebenso vergebens wie eine Heizung oder ein Telefon.
Ich hielt mich mit Äußerungen zurück, um Eddi keinen Vorwand zu liefern, mich gleich wieder hinauswerfen zu wollen. Einige Tage würde ich es aushalten, solange er nicht auch noch auf Münzen für das Wie-immer-man-das-nennen-mag bestand.

So setzte ich mich am Nachmittag des Tages meines Einzuges hin und verfasste einen Brief an den großen Bruder. Ich war allein und beschrieb 18 DIN A4-Seiten in sechs Stunden. Streng auf Sachlichkeit achtend, legte ich den Sachverhalt unserer Zusammenarbeit dar und vervollständigte ihn durch Gedächtnisprotokolle. Ein letzter Schlichtungsversuch. Als Anschrift gab ich das Postfach der Inge Spiegel in Planegg an und als Absender meine Postlagerkarte mit der Nummer 065412 C beim Nürnberger Hauptpostamt, über die ich seit einigen Jahren verfügte.

Eddi stieß die Wohnungstür, die weder eine Klinke noch ein Schloss hatte, auf und rief: „Hi!“
Mir schon klar, dass high sein muss, wer so lebt, sagte ich mir und nahm das ernst blickende Mädchen mit der dunkelblonden Mähne an seiner linken Hand in Augenschein. Auf zwölf, maximal vierzehn Jahre taxte ich das dürre Ding mit den leblosen wasserblauen Augen. Es war dasselbe Mädchen, das ich tags zuvor mit ihm im „Roten Stern“ am Billardtisch sah. Kurz hob ich die rechte Hand zum Gruß, um mich gleich darauf wieder meinem Brief zuzuwenden.

Copyright © 1993 - 2025 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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