Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Neunundzwanzigster Teil
Haben Sie schon einmal versucht, sich während eines Langstreckenfluges zu erheben, um Gymnastik zu betreiben? Nein? Sollten Sie aber mal versuchen.
In den allermeisten Fällen entsteht Panik dann, wenn man uns zwingt, etwas zu tun oder zu lassen, was wir ablehnen, von dem wir keinen unmittelbaren Nutzen für uns sehen, eine Sinnlosigkeit oder eine scheinbare Ausweglosigkeit zu erkennen glauben.
Sehen Sie, ich bin nämlich ein Angsthase – ein gesunder Angsthase in Diensten kranker Panikmacher.
Und jetzt brummt mir der Schädel. Was einem auf solch einer Fahrt nicht alles durch den Kopf geht. Ob das normal ist?
Stur und unbeweglich mein Körper, die Augen in die Ferne gerichtet. Beton, nichts als Beton – und irgendwo am Straßenrand ein Schild mit dem Hinweis auf einen entfernten Parkplatz. Wild zuckten meine Lider, forderten Entspannung ein. Die Finger um das Lenkrad verkrampft. Meine Beine? Ich spürte meine Beine nicht. Der Wagen verlangsamte sich. Erleichterung, sie kannten ihren Weg.
Ich verließ die Autobahn und suchte mir ein schattiges Plätzchen. Meine erste Rast seit mehr als vierundzwanzig Stunden. Oder waren es sechsunddreißig?
Nur einmal legte ich einen Zwischenstopp ein – zum Tanken. Es war höchste Zeit, sich die Füße zu vertreten und den Bauch mal wieder richtig vollzuschlagen.
Den Geruch gegrillten Spanferkels in der Nase und den Geschmack frischer Erdbeeren auf der Zunge stolperte ich in freudiger Erregung zum Kiosk und bestellte ein sättigendes Mahl: Pommes mit der aristokratischen Blässe meines Hinterns, nur bei Weitem nicht so knackig. Für das halbe Hähnchen musste ein unschuldiges, wenige Tage junges Küken dran glauben und der Ketchup ähnelte verdächtig dem, was die schweißtriefende Bedienung als Mayonnaise anbot. Für das einzig warme, Cola im Plastikbecher „Ihr Erfrischungsgetränk“, hätte ich besser nach einer Tasse mit etwas Sahne und Zucker fragen sollen. Von meinem Menü stieg der Geruch vier Jahre alten Frittierfettes auf, und es schmeckte nach „Würg rein, ist alles bezahlt.“.
Und, was soll ich Ihnen sagen, ich wurde satt – jedenfalls für den Augenblick.
Als Nachtisch gönnte ich mir einen der leckeren trapezförmigen Zitronenbonbons, die ich mit drei Flaschen Mineralwasser käuflich erstand, als ich mein Einweggeschirr der ordnungsgemäßen Entsorgung zuführte. Es war ein verdammtes Scheißfutter, doch der Bonbon schmeckte lecker.
Entspannt lehnte ich mich an mein kleines rotes Auto und lutschte genüsslich das kleine Ding. Gedankenverloren spielte ich mit der Verpackung, einer Pappschachtel.
„Na, Großer, soll ich mal schnell meine Zunge kreisen lassen?“
Ich hielt die Pappschachtel in der rechten Hand und las nuschelnd den Text an seiner Seite: „Flachgelegt gehöre ich zum Altpapier.“
„Was?!“
„Wenn dir danach ist.“
„Arschloch!“, schimpfte eine sehr angenehme, sehr warme Stimme.
„Wem sagst du das“, und ging, ohne sie auch nur ein Mal angesehen zu haben, um den Wagen herum, setzte mich hinters Steuer und schob meine Sonnenbrille – Übrigens meine Lieblingssonnenbrille. Die mit Spiegelglas. – zurecht.
Am Stadtrand von Mannheim hielt ich Ausschau nach einer Stellfläche für mein kleines rotes Auto. Zunächst vergebens. Etwas mehr als eine Stunde zuckelte ich suchend durch die Gegend und entdeckte schließlich ein Einkaufscenter, in dessen Tiefgarage ich fündig wurde. Beinahe ebenso verzweifelt wie nach dem Parkplatz, suchte ich nun ein Telefonhäuschen. Ein Exemplar machte ich nach nur fünfundzwanzig Minuten vor einem Postamt aus. Es befand sich keine drei Minuten vom Einkaufscenter entfernt, und doch schickten mich die Eingeborenen planlos durch die Gassen. Vermutlich allesamt von der Tourismuswerbung.
„Hm?“
„Hi! Ist Benno zu sprechen?“
„Bin am Apparat“, antwortete Bennos sympathischer Bariton.
„Wolf hier.“
„Wo bist du?“
Ich erklärte ihm das Postamt nahe dem Einkaufscenter so gut es mir als Ortsfremden möglich war.
„Schon klar. Bin in einer halben Stunde da“, und legte auf.
Auf der Bank vor dem Postamt sitzend, ein Zigarettchen durchziehend, wartete ich auf Benno und meine Aussagekraft der nächsten Tage.
Erwähnte ich eigentlich, dass Benno mal Bulle war? Zuletzt hatte er beim Landeskriminalamt irgendetwas mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens zu Tun. Was immer das auch sein mochte. Die Mafia konnten sie unmöglich meinen. Denn offiziell gab es Strukturen wie diese in Deutschland gar nicht. Jedenfalls behauptete man das in der Öffentlichkeit.
Und da darf doch wohl die ernsthafte Frage erlaubt sein, was an diesem Land so furchtbar schlecht ist, dass das Substrat unzähliger Romane ausgerechnet um Old Germany einen weiten Bogen macht.
Ach, nicht so wichtig.
Nach einer Verurteilung auf Bewährung wegen Zuhälterei und illegalem Handel mit Kriegswaffen feuerten ihn undankbare Vorgesetzte. Nichtsdestotrotz blieb er Mitglied in seinem Schützenverein und selbstverständlich auch im Besitz von Waffenerlaubnis, Sprengstoffschein und Seilschaften.
Es vergingen keine fünfzehn Minuten, als ein dunkelblauer Mercedes im Schritttempo über den Parkplatz rollte und wenige Meter vor mir stoppte. Im selben Moment, als ich mich erhob, öffnete sich die Beifahrertür. Ich ging auf den Wagen zu, setzte mich hinein und schloss die Tür. Eine Sekunde später rutschte meine Rechte in Bennos Rechte. Hat denn heute keiner mehr normale Hände? Ganz schlichte, knorrig ineinander Verhakende? Ich bildete mir ein, noch ein kurzes Schmatzen zu hören, dann war meine Hand weg – bis zum Handgelenk. Halt, Stopp, genau die brauche ich doch noch! Benno lächelte sanft, beinahe entschuldigend. Dergleichen passiert ihm vermutlich jeden Tag mehrfach. Ein blonder Hüne Anfang der Dreißig – und eine verblüffende Ähnlichkeit mit Ulli, sieht man mal von den herben Gesichtszügen ab.
Ich kannte Benno, bin ihm aber niemals zuvor persönlich begegnet. Er gab meiner Hand die Freiheit zurück. Sie war feucht, nicht nur auf der Innenseite.
„Nicht schlecht. Hat was von Hollywood“, und untermalte meine Anerkennung mit unheimlich wichtiger Miene.
Benno lachte laut auf und fuhr an.
„Tut mir leid, wäre auch im Porsche meiner Frau gekommen, passe da aber nicht rein. Meine Knie verdecken mir die Sicht nach vorn.“
In der Tat. Benno wog etwa 50 Kilo mehr als ich, war auffallend muskulös und überragte mich um schätzungsweise dreißig Zentimeter. Ein Bilderbuch-Normanne, möchte ich mal sagen.
„Und der Ferrari deiner Tochter?“
Benno lachte noch lauter.
„Steht beim Händler. Ich habe keine Kinder.“
Wir verließen Mannheim. Unablässig streiften seine Augen die Rückspiegel. Nach einer fünfundvierzigminütigen Fahrt über Landstraßen und durch kleinere Ortschaften schlängelten wir uns einen Berg hinauf.
Benno wusste sehr genau, wohin er mich entführte. Nur ein Weg führte hinauf. Und es war derselbe Weg, der abwärts führte. Auf der einen Seite wuchs ein Fels empor, auf der anderen fiel ein mit Bäumen bewachsener Abhang hinab. Ohne enormen technischen Aufwand war es nahezu unmöglich, uns auf diesem kleinen Plateau abzuhören, geschweige zu filmen.
„Hier kommen nur Wochenendausflügler her.“
Wir saßen im Wagen und beobachteten die Zufahrt.
„Hoffe, du machst mir keinen Ärger.“
„Habe ich das schon Mal?“
„Ich mein ja nur. Ich wollte mehr über dich wissen, aber nicht einmal die vom LKA kommen an deine Daten ran. Irgendwer hält seine Hand über dich.“
„Bereitet mir keine Kopfzerbrechen.“ Bereitete mir wirklich kein Kopfzerbrechen.
„Was hast du vor? Wozu ein Killereisen? Nein, nein, sag nichts. Ich will es nicht wissen. Ist mir völlig wurscht.“
Jetzt mal halblang. Warum sollte ich dir überhaupt irgendetwas sagen. Du bist mein Dealer, nicht mein Beichtvater. Verhalte dich also entsprechend und spiele deine Rolle überzeugend, sonst wird der kleine Onkel neben dir furchtbar böse.
„Soll ich dir ‘nen Tipp geben?“
„Nein.“
„Der Knabe bringt die Hohlspitzgeschosse mit, die du wolltest. Wenn dir ihre Dumdumwirkung nicht ausreicht, gib einen Tropfen Quecksilber rein, verlöte anständig, schon hast du Explosivgeschosse vom Allerfeinsten.“
„Ah was!“
Für wie blöd hält der mich eigentlich? Diese Amateure – einfach schrecklich. Fang nicht an, mich zu verärgern, Blondie. Wofür, glaubst du, wollte ich ausgerechnet eine Zweiundzwanziger?
Benno nickte in Richtung der Zufahrt.
„Da kommt er.“
„In der Gegend haben alle zu lange Beine, hä?“
Ein Mercedes, ebenfalls dunkelblau, schob sich an meine Seite.
Benno sah mich an und grinste frech.
„Nicht alle. Er gehört zur anderen Hälfte. Ein Stummelschwanz. Du weißt schon, Snob und so …“, und stieg aus.
Ich folgte ihm, nahm wortlos die Plastiktüte, die mir der Neuankömmling reichte, und setzte mich wieder in Bennos Wagen.
Aus einem weißen T-Shirt wickelte ich eine brünierte langläufige 22 l.r. Magnum. Genau das, was ich suchte. Eine sehr stark gebrauchte, aber auch sehr gepflegte Waffe. Ich ließ die Trommel seitlich herausklappen und sah durch den Lauf, prüfte den Druckpunkt des Abzuges und legte sie zufrieden auf meine Oberschenkel. Auch die Patronen entsprachen meinem Wunsch: fünfzig Hohlspitz und fünfzig Vollmantel. Abwechselnd schob ich jeweils eine Hohlspitz und danach eine Vollmantel in die Trommel, bis alle sechs Kammern gefüllt waren.
„Die Uusi?“, fragte ich durch die halb offene Wagentür.
Mein übergewichtiger Lieferant vom Wesen eines Milchgeldkassierers fummelte an seiner Buchhalterbrille, zupfte orientierungslos an seinem Anzug in Wagenfarbe herum und strich über seine abartig gemusterte Krawatte, bevor er an mir und dem Wagen vorbei sah und lapidar erklärte: „Vergessen.“
Aus irgendeinem Grund mochte ich ihn nicht. Vielleicht, weil er stank wie nach einem Techtelmechtel mit einem Skunk. „Vergessen, hä. Das ist nicht lustig. Und die AK siebenundvierzig? Und all das andere?“
Ich sprach von den zehn Defensiv-Handgranaten, die ich samt Uzi (ich sprach: Uusi), einer AK 47 – der besten Waffe, die je entwickelt wurde –, Revolver und Munition unmittelbar im Anschluss meines letzten Telefonates mit Seiler über Benno bestellte.
„Das war in der Kürze der Zeit nicht aufzutreiben.“
„So was aber auch.“ Ich mochte ihn nicht. Ich mochte überhaupt keine Menschen, die sich mit über Fünfzig krampfhaft auf jugendlich trimmten. Und eine Mütze trug er auch noch: Modell Kaffeewärmer. Tatsache! Dabei war Karneval längst vorbei. Die ganze Gestalt wirkte albern und abstoßend – zum Reinschlagen. „An dir ist ‘n echter Spaßmensch verloren gegangen. Benno! Komm!“
Benno nickte, verabschiedete sich von seinem Stummelschwanz und setzte sich hinters Steuer.
„Mein Geld!“, lamentierte es von draußen, als ich die Wagentür zuzog.
„Vergessen“, murmelte ich, griff den Revolver und zielte durchs Fenster. „Unglaublich, ein sprechender Skunk. Fahr zu, sonst hol ich mir seinen Pelz.“
„Die ist zwar nirgendwo registriert,“ Benno sah auf den Revolver, den ich vorn in den Hosenbund schob, „solltest aber trotzdem keinen Scheiß bauen.“
„Jetzt fang du auch noch an, mich zu nerven“, und verschloss meine Jacke.
Wir verabschiedeten uns auf dem Parkplatz vor dem Postamt. Ich stieg aus, drehte mich um und reichte Benno sechshundert Mark für den Revolver, die er ungezählt ins Handschuhfach legte.
Zwei Stunden, nachdem ich aus Frankreich kommend die Autobahn verlassen hatte, lenkte ich mein kleines rotes Auto erneut auf die Piste, doch bald schon wieder herunter – in irgendein verschlafenes Nest.
Und als ich nach fünfzehn Minuten durch die Tür des „Frisör Felicitas Feinschliff“ auf die Straße trat, fröstelte ich. Weniger des frischen Lüftchens wegen, das sich an meinem versteppten Antlitz rieb, als vielmehr vor Zorn. Felicitas, die nette brünette Chefin höchstselbst, stutzte mir mit flinken sadistischen Fingern mein Haupthaar auf drei Millimeter und kratzte lieblos meinen Bart aus dem Gesicht. Eigentlich waren ihre Schafschurkünste keinen Heller wert, und doch gab ich ihr, großherzig, wie ich nun einmal war, dreißig Pfennige Trinkgeld. Auch Pferde haben ein Recht auf Nahrung.
Schabte mir dieses dämliche Huftier doch tatsächlich die Haut aus dem Gesicht und tränkt die Schadstellen mit reinem Alkohol. So jedenfalls empfand ich es, als ich aus dem Stuhl sprang und die Behandlung für beendet erklärte. Sie musterte mich mit einer Unschuldsmiene, die mich unangenehm nackt, regelrecht vergewaltigt und furchtbar hilflos erscheinen ließ. Ich drehte ihr den Rücken zu und sah in den Spiegel. Der Schein bestimmt das Sein. Doch wer war diese fremde, ausdruckslose, widerlich bubenhafte Type darin?

Hilfe zur Kommentarfunktion
Ich erhalte beim Absenden eine Fehlermeldung.
Lösung
Bitte aktivieren Sie Cookies in Ihrem Browser. Sobald Sie den Kommentar abgeschickt haben, können Sie Cookies in Ihrem Browser wieder deaktivieren. Mehr über Cookies erfahren Sie hier.
Weitere Themen finden Sie in der FAQ.
Kommentare