Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Neunzehnter Teil
Im Autoradio lief ZZ Tops „Gimme all your lovin“. Ich drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag auf, kurbelte das Fenster herunter und trällerte fröhlich mit.
Seiler rief fünfundvierzig Minuten später als vereinbart an. Geduldig schilderte ich ihm meine vorübergehende Festnahme.
„Ich werde mich darum kümmern.“
Warum kam mir der Spruch bekannt vor?
„Wie geht es meiner Kohle?“
„Da kann ich momentan nichts machen.“
Gewöhnlich bot das Fernsehprogramm um diese Zeit wenig Abwechslung. Seiler glaubte wohl, sich auf meine Kosten amüsieren zu können.
„Ich habe heute keinen Nerv für so was. Wann überweist ihr?“
„Morgen kann ich dir mehr dazu sagen.“
Doch daraus wurde nichts. Denn an den darauffolgenden vier Tagen empfing ich kein Zeichen von ihm. Und erreichen konnte ich ihn auch nicht. Sein Anrufbeantworter war noch immer defekt, und den abgefüllten Hofnarr schien es ebenfalls dahingerafft zu haben.
Ein verheißungsvolles Wispern meines Kontoauszuges blieb aus.
Erst am Vormittag des fünften Tages wurde mir die Ehre zuteil, dem generalüberholten, maschinellen Rufsammler eine Nachricht zu hinterlassen. Ich bat Seiler, mich am nächsten Tag um fünfzehn Uhr anzuklingeln.
Irgendetwas in mir sagte, tritt Seiler so lange in die Eier, bis er ausspuckt, was du willst. Zwar wurde ich noch nicht wieder von der Polizei belästigt, sie machten auch keine Anstalten, mich festzunehmen, und auch die Stimme in mir wusste nicht, ob die Herrschaften im Hintergrund nicht vielleicht an einem ungenießbaren Süppchen köchelten. Es war nur langsam an der Zeit, dass sie den längst überfälligen, mir zustehenden Lohn rüberschoben. Noch hatten wir eine Vereinbarung.
Allein das war Grund genug, nicht locker zu lassen, beziehungsweise nachzutreten.
Gegen Mittag schaute ich bei Ulla vorbei, um sie zu fragen, ob sie in nächster Zeit nach Deutschland fahre und mich mitnehmen könne. Den ersten Teil meiner Frage bejahte sie.
„Mitnehmen kann ich dich nur, wenn ich mit meinem Wagen fahre. Danach sieht es aber nicht aus. Das Beste wird sein, du kommst am Freitag noch mal vorbei. So gegen dreiundzwanzig Uhr.“
Nach Seilers letztem Anruf befiel mich ein jäher Gedanke von Ausmusterung. Aber das war natürlich purer Unsinn. Dann hätte er auch gleich Tschüss sagen können. Gleichwohl entschloss ich mich, Vorbereitungen zu treffen. Falls sich dieser Gedanke wider Erwarten bewahrheiten sollte, würde ich mich einer Reise nach Deutschland nicht entziehen können. Mein kleines rotes Auto ließe ich aus Gründen der Beweglichkeit in Estepona. Zugleich verfolgte ich die Absicht, die allgemeine Erkenntnis über mein Verschwinden einige Tage hinauszuzögern. In Deutschland würde ich auf ein schnelleres und robusteres Fahrzeug wechseln – einen Mietwagen.
Das Telefon klingelte. Ich nahm ab und sah auf die Uhr. Biggi war allein im Verkaufsraum. In den Auslagen schob sie Kuchenstückchen umher und tat, als sei ich nicht anwesend. Seiler rief exakt zur angegebenen Zeit an. Seine Stimmung konnte kaum besser sein. Er fragte, was es denn Wichtiges gebe und, was er für mich tun könne und ich antwortete, außer der Sicherung meines Lebensunterhaltes nichts ernsthaft Beunruhigendes. Da entlang führe momentan kein Weg, sagte er. Sein Chef erwarte greifbare Erfolge, bevor er etwas locker mache.
Na, ganz hervorragend. Mal ganz was Neues. Meine Strategie des Anfütterns und Ausharrens sollte kläglich versagt haben? Ich dämlicher Komsomolze warf meinen Opfern demnach total unüberlegt Brocken vor die Füße. Und dass dabei schon der kleinste zu weit gehende Schritt unweigerlich das Ende des Auftrages, und höchstwahrscheinlich auch das meiner Person hätte besiegeln können, ließ ich kleiner Schusselkopf völlig außer Acht.
Meine Strategie? Um es mal in aller Deutlichkeit zu sagen: Das Vertrauen chronisch misstrauischer Personen zu gewinnen kann unmöglich zum Erfolg führen, indem man ihnen unkontrolliert auf den Füßen herumtrampelt. Ich verfolgte vielmehr, sie dahin zu leiten, dass sie von dem Bedürfnis, auf meinen Füßen tanzen zu wollen und zu müssen, nicht mehr loskamen. Und erst dann, wenn das oder die Opfer fest davon überzeugt sind, selbst und ohne fremde Einflüsse dieses Bedürfnis entwickelt, aufgebaut und umgesetzt zu haben, dann erst macht es schnapp.
Wer gedenkt, das Ziel als Sieger zu durchlaufen, muss diese, meine erprobte Strategie beherzigen.
Doch benötigt sie Zeit. Ungeheuer viel Zeit. Auch etwas Glück. Und noch mehr Geduld. Nur lebensmüde hasten. Umso mehr überraschte mich der Druck, den Seiler auszuüben versuchte. Überraschung ist der falsche Ausdruck – es ärgerte mich. Nein, ich war wütend. Auch nicht – ich war fuchsteufelswild. Ja, genau, ich war fuchsteufelswild!
„Geht in Ordnung“, sagte ich ergeben.
War es Königstreue? Ha! Ich kenne keinen Mann mit albernem Kopfschmuck. Wer in eine offene Flamme greift, muss sich nicht wundern, wenn er sich die Finger verbrennt.
Seiler lachte selbstzufrieden.
„Ich wusste, dass du uns Informationen vorenthältst. Gib mir, was du hast, und ich werde sehen, was ich für dich tun kann. Am Freitag melde ich mich wieder.“
Ich warf den Hörer auf die Gabel, zündete mir eine Zigarette an, ging in mein Büro und entzündete eine weitere. Ein Liter Kaffee und zehn Zigaretten standen auf dem Plan.
Tags darauf, ich trat meinen Nachtdienst in der Pasteleria an, gab mir Biggi einen Kassenbon. Auf der Rückseite hatte sie notiert, dass ein Sorbete angerufen und nach mir gefragt habe. Ob er denn nicht vielleicht etwas mehr gesprochen habe, wollte ich wissen. Sie wackelte wie der Teckel, den so mancher Zeitgenosse auf der Hutablage seines Wagens spazieren fährt, mit dem Kopf und fauchte, dass sie es aufgeschrieben hätte, wenn es so gewesen wäre.
Meine Vorfreude auf Ulla schwand, als ich Freitagnacht vor ihrem Gartentor stand. Offen gestanden empfand ich einen geradezu übermächtigen Druck, der so gewaltige Ausmaße annahm, dass er die Fahrt nach Deutschland auf einen der hinteren Plätze verbannte. Der Wunsch auf eine wilde, schweißtreibende Runde Sex überwog. Doch Ulla war nicht daheim. Ich kletterte übers hüfthohe schmiedeeiserne Türchen, das sie vor wenigen Wochen aus Deutschland mitgebracht hatte, und ging zum Haus. Dunkelheit, die Vorhänge zugezogen. Eigenartigerweise wirkte es verlassen. Ich meine, richtig verlassen. Nicht nur so, als sei sie eben mal schnell zum Supermarkt einkaufen gefahren. Mehrmals klopfte ich an ihr Schlafzimmerfenster. Dann an das ihrer Tochter Judith. Nichts. Ich zuckte zusammen – irgendetwas rieb sich an meinem linken Unterschenkel. Ein Kätzchen. Ihr Kätzchen. Ich schnappte das Vieh, ging noch einmal ums Haus und fuhr anschließend zu Teresa in die Bierbar.
Der Flohteppich entfachte eine flammende Begeisterung bei ihr. Im selben Augenblick, in dem ich die Kreatur zu Boden ließ, gab sie ihr einen kräftigen Tritt.
Ich erzählte von der gescheiterten Verabredung mit Ulla und meinem Eindruck. Teresa entschuldigte sich bei dem Kätzchen, füllte Wasser in eine Kaffeetasse, mischte ein paar Tropfen Milch darunter und stellte sie auf den Boden vor die Tür.
Dass Ulla Hals über Kopf abgereist sei, habe ihr ein Gast zugetragen. Um die Mittagszeit soll sie ihren BMW vollgeladen und sich aus dem Staub gemacht haben. Vielleicht nach Deutschland. Vielleicht auch nach Österreich. In letzter Zeit, so ihr Informant, schwärmte sie immerfort von einer Immobilie in Salzburg, die sie sich zulegen wolle.
Seilers Anruf blieb aus. Dafür rief ich ihn am Mittwoch danach an, und bat um Rückruf, welcher prompt am Donnerstag erfolgte.
„Markus kommt am Montag aus dem Urlaub. Er wird entscheiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir dir ein neues Angebot machen können. Holland, Frankreich oder Nicaragua. Bleib vorerst aber auf jedem Fall in deiner Sache am Ball.“
„Ja, mein Führer.“
„Bei dir alles in Ordnung?“
Ich legte auf.
Drei Tage später, es war Sonntagnachmittag, und ich stand in der Backstube mit einer großen Tasse Kaffee in der Hand und unterhielt mich mit Ulli, rief Sorbete an. Er verzichtete auf das floskelhafte Drumherum und kam gleich zum Kern. Abgehakt, keinen Satz ausformulierend, schlug er mir ein Treffen in einer Bar im Hafen von Marbella vor. Ich überlegte einige Sekunden, als schlage ich gedanklich die Seiten meines übervollen Terminkalenders um, und sagte für Donnerstag dreizehn Uhr zu.
„Kommenden Donnerstag entscheidet sich, wie es weitergehen wird“, sagte Seiler am Montag, spät in der Nacht.
„Ist doch was.“
Vermutlich werde man mich nach Bayonne schicken (Er sagte, abkommandieren. Aber das klingt zu blöd, weshalb ich es hier nicht wiedergebe.), um dort neue Kontakte zu Terroristen aufzubauen. Seine Frage, ob es Neuigkeiten gäbe, verneinte ich.
„Schick uns derweil einen Bericht mit den Namen und allem, was du sonst so über Dealer, Drogenkuriere, Autoschieber und anderes kriminelles Strandgut herausbekommst. Du kennst dich doch bestens aus in der Szene da unten.“
Ich kleiner Tausendsassa.
„Als Spende oder Liebesdienst?“
„Darüber mehr am Donnerstag.“
Bin ich ein verdammter Hilfsbulle? Terroristen sind mein Geschäft, nicht abgefuckte Junkies.
Und überhaupt: In diesem Sumpf stocherten bereits andere herum. Schon seit Wochen schlichen geschniegelte Typen durch Estepona. Es hieß, sie seien aus Deutschland – vom Bundeskriminalamt. Furchterregende Profis. Zwei ganz ausgebuffte Exemplare hängten sich mit ihrem unscheinbaren weißen Mercedes der 123er Baureihe an jedes deutsche Kennzeichen. Total unauffällig versteht sich. Selbst bei Festnahmen und Hausdurchsuchungen hatte man sie gesichtet – am Jackenaufschlag spanischer Polizisten.
Wer sich, durch wen auch immer, in seiner Geschäftstätigkeit beeinträchtigt fühlte, bewies Mobilität und verlegte seinen Wirkungsbereich kurzfristig nach Malaga oder in die nähere Umgebung – und erschloss neue Märkte. Fuengirola und Torremolinos waren sehr beliebt.
Zweihundert Meter die Straße runter, unweit der Konditorei, befand sich meine Wäscherei. Ein kleines, düsteres Ladengeschäft, das einem lebenslustigen Rentnerpärchen ein Auskommen bot. Die karge Einrichtung aus vier alten, riesigen Maschinenungetümen zum Waschen, Schleudern, Trocknen und Bügeln, fünf klapprigen Stühlen und einem Ladentisch mochte an ein Industriemuseum erinnern. Mir vermittelte es Zuverlässigkeit.
Farbe bröckelte von den Wänden, den Maschinen und den Herrschaften. Die Luft vom Wasserdampf geschwängert und allgegenwärtig der Geruch von Schmierseife. Ich mochte die kleine trübe Wäscherei und die beiden Alten, denen ich jede zweite Woche meine Dreckwäsche brachte. Am Vormittag lieferte ich an, am Nachmittag holte ich makellose Stücke gewaschen und gebügelt wieder ab. Niemals verspürte ich auch nur einen Ansatz von Unzufriedenheit. Die Alten verstanden ihr Handwerk.
Ich nahm meine Wäsche aus der Einkaufstüte, legte sie zwischen dem alten Mann und mir auf den Tisch und bekam, während er die Stücke in ein helles und dunkles Häufchen trennte, den allerneusten Klatsch zu hören. Ungefragt wie immer. Ich hörte ihm gern zu, auch wenn mir die Menschen, über die er zu berichten hatte, zumeist völlig fremd waren.
Doch diesmal spitzte ich besonders interessiert meine Ohren. Zum ersten Mal erfuhr ich nämlich etwas über eine Person, die mir weder fremd noch egal war – meinem Freund Tomas, der sich von einer Minute auf die andere hatte aus dem Staub gemacht. Nach Lyon, wo er geboren sei und studiert habe, fügte das Mütterchen aus dem Hintergrund hinzu. Ich sah sie nicht, hörte nur ihre Stimme aus dem Dunkel. Außer seinen vielen Musikinstrumenten habe er nichts mitgenommen.
Ein auf der Rückseite beschriebenes Kalenderblatt, mit der Bitte seine Wohnung aufzulösen, drei Monatsmieten und den Wohnungsschlüssel warf er durch den Briefschlitz der Nachbarwohnung, in der ein eleganter älterer Herr lebe. Seine Frau sei früh verstorben. Vielleicht habe ich ihn schon mal gegrüßt – er bringe seine Wäsche auch regelmäßig vorbei. Ja, und von Tomas – so was aber auch – kein Wort des Abschieds. Selbst bei seinem Arbeitgeber, dem städtischen Krankenhaus, sah man ihn zuletzt vor drei Tagen. Was nur in ihn gefahren sei, fragte sich der Alte und legte die helle Schmutzwäsche in ein geflochtenes Weidenkörbchen. Seine Frau kam nach vorn. So ein feiner Mann, so gebildet und begabt – alle mochten ihn, sinnierte sie und griff sich das Körbchen.
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