Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Zweiter Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Mein Büro war ein typisches spanisches Café. Ein Original - und urgemütlich. Seine Lage ideal. Unmittelbar an der Hauptverkehrskreuzung des Ortes gelegen, wurde es hauptsächlich von Einheimischen frequentiert. Zur Zufriedenheit Pedros, kehrten nur selten Touristen ein. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, Touristen mieden mein Büro, weil es ihnen zu schmutzig sei. Mumpitz!
Vielleicht wegen der paar grünweißen Papiertütchen am Boden? Für mich ein Ausdruck andalusischer Lebensqualität. Ein MANICOMIO ohne die unzähligen leeren Zuckerportionstütchen auf dem Boden, wäre es nicht mein MANICOMIO, sondern eine dieser öden Eckkneipen. Außerdem schob Pedros Frau zwei Mal täglich einen breiten, weichen Besen um die Tische. Abgesehen davon blieb es jedem unbenommen, sich die Taschen voller Müll zu stopfen.
Na gut, ich gestehe ein, die Toilette war tatsächlich ein wenig daneben. Ich probierte sie aus. Nur ein Mal. Und dass lag auch schon einige Monate zurück. Gut, sie war eng. Dafür aber ohne beißenden, die Magenschleimhäute bis zum Würgreiz kitzelnden Desinfektionsgestank. Es roch mehr nach einer Abdeckerei, bei der seit Tagen Kühlsystem und Klimaanlage ausgefallen sind.
Und dreckig war sie auch nicht. Ich meine, es lag nichts herum, was eigentlich in den Topf gehörte. Und doch war mir, als bekäme ich eine schlimme Infektion, einhergehend mit offenen Entzündungen, eiterigen Abszessen und unerträglichen Qualen, streckte ich die Hand nur nach dem Papier. Hinter die eigenartigen Lichteffekte bin ich nie gekommen. Fenster oder Lampe gab es nicht. Das heißt, ein fünfzig Zentimeter breiter und zehn Zentimeter hoher Schlitz über der Tür sorgte für mäßige, aber ausreichende Helligkeit. Nicht zu vergessen, dass an Orten wie diesem ohnehin mehr der Tastsinn gefordert ist.
Und dann waren da noch ein paar Fliegen, die rastlos umherschwirrten, sich an den Wänden niederließen und sie schwarz färbten. Vielleicht Hundert, vielleicht einige Tausende - was macht das schon, wenn eine Schmeißfliege genügt, einem zum Mörder werden zu lassen.
Beim Vorüberschlendern jedenfalls war von alldem absolut nichts wahrnehmbar.
Ich liebte dieses Café! Und es gab viele gute Gründe, weshalb ich mich ausgerechnet hier so ausgesprochen wohl und behaglich fühlte.

Vier der Wichtigsten waren, dass es im MANICOMIO den besten Kaffee der Stadt, wohlschmeckende Paprikawürstchen und die leckersten Schweinsohren (Kunststück: die lieferte Ulli.) gab und mich niemand von oben herab wie einen unerwünschten Ausländer behandelte. Die Menschen waren zugänglich, freundlich, aufgeschlossen, ehrlich im Umgang mit Fremden und hielten ihre Versprechen. Nichts Aufgesetztes. Entsprechend höflich auch der Umgangston untereinander. Gründe genug, meinem Irrenhaus die Stange zu halten.

Da saß ich also in schönstem Sonnenschein am Straßenrand. Pedro eilte herbei und stellte ein Glas frisch gebrühten Kaffee mit Milch und Zucker vor mir auf den Tisch. Er brachte ihn, ohne gefragt zu haben. Und ich dankte ihm für seine Aufmerksamkeit - jedes Mal. Zeigte sie doch, dass ich zur Familie gehörte.
Bevor er wieder im Inneren verschwand, warf ich noch schnell einen Blick auf sein weißes Oberhemd. Auf beeindruckende Weise legte dessen Verschmutzungsgrad Zeugnis über die Intensität seines Tagesgeschäfts ab. Es war ein ruhiger Tag.
Seit nunmehr über vier Monaten, also seit dem Tag als ich in Estepona, einem Ort mit ländlichem Flair, in dem bodenständige Menschen leben, eintraf und im MANICOMIO meinen ersten Kaffee trank, begeisterte mich dieser Teil seiner Berufskleidung. Eigentlich ging es mich überhaupt nichts an, auch verbarg sich kein tieferer Sinn dahinter - es erheiterte mich einfach nur.
Ganz anders der Bulle auf der Kreuzung vor mir. Von früh bis spät stand er bei über dreißig Grad im Schatten auf seinem der Sonne ausgelieferten kleinen rot-weißen Podest und ruderte mit den Armen, um mobilisierte Kleinstadtbewohner in ihrem Drang zu bändigen. Welche fantastischen Wasserspiele verbarg er wohl unter seiner Schirmmütze und der dunkelblauen Uniform? Manchmal gönnte er sich, so um die Mittagszeit, wenn die Glut ihren Höhepunkt erreichte, einen Kaffee im MANICOMIO und tat, wozu ich mich nur ein Mal überwand - er ging zur Toilette. Ich bemitleidete ihn.

Doch nahm ich all das an diesem Tag nicht wirklich wahr. Ich sah es wohl, empfand jedoch weder Mitgefühl noch Freude an dem, was mich Ansprechendes umgab. Selbst den hinreißend schönen Frauenbeinen, für die es gewöhnlich unmöglich war, sich meinen ungalanten Blicken zu entziehen, vermochte ich nichts abzugewinnen. Und der Kaffee hatte einen bitteren Beigeschmack. Irgendwie war alles anders an diesem Tag. Dabei gedachte ich doch, meinen verheißungsvollen neuen Job zu begießen. Ich wollte feiern und glücklich sein. War ich noch ich selbst? Mir ging es doch gut. Ich fühlte mich ...
Es klingelte. Unablässig schrillten um mich herum Telefone. Aus unzähligen Hörern hörte ich die Stimme Bernhards. An jedem Apparat dasselbe. Bernhard, überall Bernhard. Ich verstand nicht, was er sprach. Was wollte er? Warum legte er nicht auf?
"Leg endlich auf, du nervst!", sagte ich und war wohl eine Spur zu laut. Pedro, der mir einen weiteren Kaffee brachte, sah argwöhnisch zu mir herab, schüttelte zweimal kurz den Kopf, ohne dass sein pomadisiertes schwarzes Haar der kleinsten Schwingung ausgesetzt wurde, nahm das leere Glas vom Tisch und ging mit einem feinen Lächeln auf den Lippen zu dem reiferen Touristenpaar am übernächsten Tisch. Er sagte kein Wort. Jedenfalls nicht zu mir. War auch besser so.
Ich warf meinen Zigarettenstummel auf die Straße und zündete mir eine neue Zigarette an. Meine Gedanken mussten von dieser wackeligen Ebene runter.

Wenige Stunden nach meiner Ankunft im Februar wurde ich in diesem 20.000 Einwohner zählendem Städtchen an der südspanischen Mittelmeerküste zur Zielscheibe des Dorfklatsches. Vor allem an meinem sorgfältig ausgewähltem Äußeren zogen sich die Schwätzer hoch. Mein kurz geschorenes Haar und den dichten, schwarzen, weich auf die Brust fallenden Vollbart ließen sie gerade noch durchgehen. Und meine schwarze Stoffmütze, von so manchem unzutreffend als Schlägerkappe abgewertet, meine schwarze Motorradlieblingslederjacke, die schwarze, hautenge Lederjeans und die, natürlich ebenfalls schwarzen, spiegelblank polierten, Springerstiefel erregten ohnedies nicht nur in Estepona und an der Costa del Sol Aufsehen. Ich drängte sie nicht, hinter mein einnehmendes Naturell zu steigen. Und doch beruhigten sich die Gemüter bald.

Nach ein paar Tagen hatte es sich bis zu den Obertratschern herumgesprochen, dass ich nicht in ihr Paradies einfiel, um ihren Töchtern die Unschuld zu rauben, um ihre Söhne zu verprügeln und selbst bei Vollmond kein Neugeborenes vertilgte.
Viele schlossen mich seitdem in ihr Herz. Nicht zu fest. Aber für eine Umarmung reichte es allemal.
Geschäftsinhaber, so auch die meines MANICOMIO, räumten mir plötzlich das Privileg ein, zwischen Anfang Mai und Ende Oktober nicht die sich verdreifachenden Touristenpreise, sondern weiterhin die der Einheimischen zu zahlen. Und wenn ich mal nicht einschlafen konnte und nach dem Gong zur Polizeistunde, in die eine oder andere Bar Einlass begehrte, genügte ein vereinbartes Klopfzeichen - gewissermaßen ein Sesam-öffne-dich für Insider. Selbstredend machte ich lebhaft Gebrauch davon.
Auch wenn ich viele meiner neuen Freunde zunächst nicht kannte und die meisten, die ich nach und nach kennenlernen musste, nicht ausstehen konnte, war Bescheidenheit fehl am Platze. Schließlich machten sie mich doch zu einem von ihnen. Und, unter uns gesagt, ich war nicht abgeneigt, einer von ihnen zu sein.

So stand es also um mich. Eigentlich konnte ich nicht meckern. Wirklich nicht. Aber Bernhards Anruf warf mich schon ein klein wenig aus der Bahn. Ich leerte mein Glas, zahlte und ging wieder in die Konditorei. Weshalb gab Spehr den Inhalt unseres letzten Telefongesprächs weiter? Er kam mir sehr entgegen, aber nett war es nicht. Nicht dass mich Spehrs Verhalten in irgendeiner Weise belastete. Oh nein, ganz im Gegenteil.
Ich wollte ihn anrufen, doch in München blieb es still. Bis kommenden Montag musste ich in Erfahrung gebracht haben, welcher Spezies Bernhard zuzuordnen war.
Sicherlich hatte ich eine Vermutung. Doch eine Bestätigung Spehrs würde mir Klarheit verschaffen.

Die folgende Nacht verbrachte ich mal wieder bei Teresa, einer fünfunddreißigjährigen Spanierin. Ich nächtigte oft bei ihr und sparte so ein ganz hübsches Sümmchen Hotelkosten. Ich mochte sie recht gern. Vor allem ihrer Kontakte zu Personen, die mir beachtenswert erschienen, wegen. Sie war Kommunistin, blond und kannte jeden - und sei es ein noch so schräger Vogel. Entsprechend setzte sich die Kundschaft in ihrer Bierbar zusammen. Gelegentlich hatte ich den Eindruck, diese Frau sei mit all jenen freundschaftlich verbunden, die ihr jemals über den Weg gelaufen sind. Wie ein Sperrmüllverwerter lud sie auf, was am Straßenrand herumlag. Streckenweise wurde mir richtiggehend unheimlich an ihrer Seite. Ob in ihrer Kneipe, beim abendlichen Spaziergang am Strand oder in der Disco - unaufhörlich begrüßte sie irgendwelche Leute.
In ihre Aura traten Exponenten so erlesener Kreise wie Drogenschmuggler, Polizisten, Schläger, Richter, Zuhälter: die Hautevolee eben.
Teresa war kein Cover-Girl. Bei Weitem nicht. Sie war viel mehr als das. Sie war eine hochintelligente, überaus interessante Frau. Eine beeindruckende Persönlichkeit, von welcher eine mir unerklärliche Magie, eine magnetische Kraft aus ging.
Einige Wochen nach dem Aufbau meiner Zweckverbindung mit ihr schnitt ich mir die geeignetsten Stücke aus ihrem Bekanntenkreis, um über sie Kontakte zur ETA herzustellen. Ein reines Privatvergnügen.
Sie müssen nämlich wissen, ich hatte eine ausgesprochen abgrundtiefe Abneigung gegen Terroristen.

"Mit wem spreche ich?"
"Mit mir?"
"Wäre mir doch fast entgangen", entgegnete sie frostig.
Merke: Flirte niemals mit einer Beamtin.
"Reiter."
Ich hatte viele Namen. Der hier stand nicht auf der Geburtsurkunde.
"Einen Moment bitte!"
Anderthalb Tage nach Bernhards Anruf bekam ich Spehr vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz an die Muschel. Nach dem unvermeidlichen Vorgeplänkel, bei dem wir wechselseitig nach dem Befinden des anderen forschten, um uns gleich darauf in bilderreichen Worten über die Witterungsverhältnisse in München und Estepona auszutauschen, fragte ich: "Ist Ihnen ein Herr Bernhard bekannt?"
"Der große Bruder." Spehr lachte kurz und laut. "Haben die sich bei Ihnen gemeldet?"
Vor einigen Jahren einigten wir uns auf die Synonyme großer Bruder für den Bundesnachrichtendienst und kleiner Bruder für den Verfassungsschutz. Es machte sich besser in der Öffentlichkeit - man kommunizierte ungezwungener. Überaus treffend waren sie zudem. Denn wie in vielen deutschen Familien, bestand auch zwischen diesen Brüdern keine ausgeprägte Geschwisterliebe.
"Ich vermutete es. Bernhard verschwieg seinen Stall."
"Die Spanier zeigten auch Interesse. Doch offenbar war diesmal ausnahmsweise der große Bruder auf Zack. Ist auch nicht das Schlechteste. Ich habe ausführlich mit Bernhard gesprochen. Die wollen Sie für diesen Einsatz."
"Hatte ich Sie um eine Vermittlung gebeten?"
Jetzt musste ich aber mal dick auftragen. Spehr sollte sich nicht in dem Gedanken, ich sei auf diesen Job angewiesen verfangen.
Ihnen kann ich es ja verraten: Angewiesen war ich wohl nicht, hatte ihn aber bitter nötig. Viel länger als geplant hielt ich mich nun schon in Spanien auf. Und mit jedem weiteren Monat reklamierte mein Geldbeutel vernehmlicher nach Ballast.
"Bringen Sie die Sache zu einem für alle Seiten akzeptablen Ende, Reiter. Dann sehen wir weiter. Haben Sie keine Sorge, wir kümmern uns auch weiterhin um Sie. Ah ja, und wenn Sie im Baskenland sind, rufen Sie mich bitte an. Pfüeti und viel Glück!"
Danke. Aber warum sollte ich anrufen? Spehr legte auf, noch bevor ich meine Frage zu Ende gedacht hatte.

Copyright © 1993 - 2024 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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