Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Fünfter Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

San Sebastián schlief. Den Hinweisschildern nach Zumaia folgend, fuhr ich durch nahezu menschenleere Straßen. Zwei dunkle Gestalten besprühten eine Natursteinmauer mit dicken mehrfarbigen ETA-Parolen. Im Schritttempo glitt ein Polizeifahrzeug an ihnen vorüber. Die beiden Straßenkünstler brachte das nicht aus der Ruhe. Ihr Augenmerk galt einzig dem Graffito. Unter den enganliegenden, olivgrünen Militärjacken zeichneten sich schmale Konturen ihrer Rücken ab.
Langsam rollten die forschen Ordnungshüter an ihnen vorüber und bogen rechts in eine gut ausgeleuchtete Seitenstraße.
Plötzlich erfasste mich ein grelles Licht. Ein Fahrzeug hatte sich mir unbemerkt von hinten genähert, das Fernlicht aufgeblendet und Kurs auf meine Stoßstange genommen. Warum überholte er nicht? Hatte er etwas gegen gut ausgebaute vierspurige Straßen? Oder zog ihn die unbedeutende Kleinigkeit meines Kennzeichens an? Unbedeutend? Kleinigkeit? Musste das sein. Schleicht sich von hinten ran. Wie feige!
Mein kleines rotes Auto habe ich bar bezahlt, der Aschenbecher ist nicht mal halb voll, es ist spät und ich sollte eigentlich müde sein. Da wird nicht gezündelt - nicht heute, ihr Spinner. Ich gab Gas. Preschte links am Polizeiwagen vorbei, lachte laut, bremste, schaltete in den zweiten Gang runter, rutschte rechts in eine Nebenstraße und drosselte mein Tempo. Die Polizei hielt Spur und Geschwindigkeit bei. Jetzt nur nicht die Orientierung verlieren. Das Licht folgte - holte auf. "Tritt drauf, Student!", rief ich und lachte noch lauter. Der Wagen kam näher. "Mach mir Angst, Spaßmensch! Huuuuu!" Ich fühlte mich hervorragend. "Ein Opel also! Gab wohl keine Autos?!", und lachte und lachte. Wieder trat ich das Pedal durch, bog links ab, kurz darauf noch mal. Stramm, stramm! Zwanzig Meter vor mir eine Ampel. Sie sprang auf Rot. Rot? Könnte ja jeder kommen. Beschleunigen, abbremsen, runterschalten, rechts auf die Hauptstraße, hochschalten und orientieren. Da war ich wieder. Das aufdringliche Licht verlor sich irgendwo weit hinten in der Dunkelheit. "Arbeitsscheue, charakterlose Windmüller! Pfui!" Gerade als es anfing, richtig Spaß zu machen, kneift der Langweiler. Ob sich mehrere Personen im Opel befanden, konnte ich nicht erkennen.
Ich tat einfach so, als hinge er noch an mir dran: Radio an, Fenster auf ... und Bleifuß. Es war kühl. Sehr viel kühler als an meiner Costa del Sol. Aber nicht unangenehm. Die Brise trug den Geruch des Atlantiks mit sich. Ich riss meinen Mund auf und atmete tief ein. Wer fährt straff-sportlich durchs Baskenland? Moi!

Dreißig Minuten gepflegter Temporausch - und schwupp fand ich mich in Zumaia ein. Auch dieses Städtchen döste vor sich hin. Ich erspähte einen einsamen Passanten, hielt am Bordstein und stieg aus. Doch kaum hatte ich die Wagentür zugeschlagen, machte der andere einen Satz und fegte davon als sei ich hinter seinem Skalp her. Mit gerunzelter Stirn verharrte ich und sah dem nächtlichen Jogger nach. Augenblicke später wirbelte er in einen Hauseingang. Er ging schlafen - und ich? Ich wollte mich nur nach einem weichen Hotelbett erkundigen.

Auf meiner Suche nach einem Schlafplatz überholten mich plötzlich fünf Land Rover der Guardia Civil mit weit überhöhter Geschwindigkeit. Irgendetwas sagte mir, ihrem rotierenden Blaulicht zu folgen. Doch die Auskunft war falsch. Es führte mich weder in die Nähe eines Hotels noch auf die Spur huschender Nachteulen. Am Ortsausgang angekommen, parkte ich auf einer unbefestigten Freifläche neben der Straße. Einige Minuten sah ich noch auf den Atlantik hinaus. Ich suchte nicht das Schwärmerische, und abenteuerte auch nicht. Danach stand mir wahrlich nicht der Sinn. Schläfrig schaute ich in die Ferne, lauschte der besänftigend rauschenden Brandung und leerte meinen Kopf. Entspannt legte ich die Füße auf den Beifahrersitz und schlief erholsame sechs Stunden.

Nachdem ich mir am Morgen auf der Toilette eines Cafés die Nacht aus dem Gesicht gewaschen hatte, stärkte ich mich bei einem ebenso guten wie reichlichen Frühstück, bestehend aus Milchkaffee und sieben verschiedenen Kuchenteilchen.

Mein Hemd roch nach den Aktivitäten des vergangenen Tages. Für gewöhnlich wusch ich Hemd, Wäsche und Socken allabends mit Shampoo und schlüpfte morgens in duftige Frische.
Einige Wochen zurück, fragte mich Biggi, ob ich nur ein Hemd besäße, und dann ausgerechnet auch noch ein schwarzes. Dem hochmütigen Tonfall ihrer Stimme und dem abschätzigen ihres Blickes entnahm ich die Antwort, die sie sich selbst gab: Drecksau!
Wahrscheinlich lag dem törichten Kuchenrand diese Frage schon seit Langem auf der Zunge. Doch an diesem Tag müffelte mein Hemd nicht. Wirklich nicht! In meiner liebenswert galanten Art zeigte ich mich verständnisvoll und belehrte sie, dass die meisten Männer nur zwei Hemden hätten:

Eines für jeden Tag, und das gute, gestärkte Weiße für Beerdigungen. Mehr Hemden braucht kein Mensch. Und ich noch weniger, weil ich an Beerdigungen prinzipiell nicht teilnehme. Für ihre, versprach ich, würde ich eine Ausnahme machen und mir ganz bestimmt auch ein weißes Hemd zulegen.
Ehrlich, niemals zuvor sah ich einen Menschen, der imstande war, durchdringend fiebrig wie ein scheues Wildpferd zu schnaufen und gleichzeitig seine Farbe chamäleonartig im Bruchteil einer Sekunde vom Haaransatz bis zum Busen von gedecktem Goldbraun in funkelndes Feuerrot zu wechseln. Ein grandioser Kontrast zum Stroh auf ihrem Kopf, das sich zu meinem Bedauern nicht entfachte. Tief beeindruckt drehte ich ihr den Rücken zu und stieß die Tür zur Backstube auf.

Gesättigt und allerbester Laune machte ich mich auf die Suche nach einer Telefonzelle. Fünfzig Meter die Straße hinunter, am Rande einer parkähnlichen Anlage, wurde ich fündig.
Drei auf einer Bank sitzende Mütterchen unterbrachen ihr Schwätzchen, als ich mich ihnen näherte. Misstrauisch überwachten sie jede meiner Bewegungen. Kein Grund zur Panik, Ladys: Als Gourmand verspeise ich herumlungerndes Rentnervolk grundsätzlich erst dann, wenn es besonders gut im Saft steht - nach Sonnenuntergang. Ich grüßte freundlich und verschwand in der Kabine.
Unter Sorbetes Anschluss meldete sich eine Frau. Gedrängt, aber für einen nicht eben perfekt spanisch sprechenden Ausländer verständlich formuliert, forderte sie mich auf, Zumaia umgehend zu verlassen und am kommenden Tag nochmals anzurufen. Ohne nähere Erläuterungen legte sie auf.
Der gehetzten Empfehlung gehorchend fuhr ich ein Stück meines Weges der letzten Nacht zurück und schlug mein Lager in Zarautz auf. Bei Tageslicht und in angemessener Fahrweise bot diese Stadt gleich ein ganz anderes, ein vielversprechenderes Bild von sich.
Ein hübscher kleiner Ort mit rot bemützten Polizisten - oder was immer da den Verkehr verregelte. Ich folgte der Richtung ihrer rudernden Arme in eine Nebenstraße, die sich ein paar Häuserblocks weiter vor einer begrünten Insel teilte. Noch bevor mich Gedanken über den einzuschlagenden Weg verwirren konnten, stellte ich meinen Wagen ab und machte mich auf, unbekanntes Terrain zu erkunden. Aus irgendeinem Grund schwenkte ich nach Westen - und wurde auch gleich fündig.

Im Hostal Alameda, einem kleinen, unscheinbaren, dreistöckigen Eckhaus, mietete ich ein Zimmer für die Nacht.

Die Arme hinter dem Kopf verschränkt und in eine bis zum Kinn hochgezogene dicke Wolldecke gerollt, lag ich frierend auf dem Bett meiner bescheidenen Unterkunft und sehnte mich nach der wärmenden Sonne des Südens. Unversehens sprang ich auf, kämpfte den in mir tobenden Widerstand gegen nasskaltes Hundewetter tapfer nieder, verschloss mein Zimmer und stieg die Treppe zur Rezeption hinab.
Auf der vorletzten Stufe hielt ich inne - und den Atem an. Am Empfang saß ein zierliches, etwa zwanzigjähriges Mädchen. Den Kopf in beide Hände gebettet. Träumerisch sah sie durch die gläserne Eingangstür, vier oder fünf Meter vor ihr. Die Tochter des Hauses, unterstellte ich, obwohl sie ihrer Mutter kein bisschen ähnelte. Denn die wildgeschminkte Chefin, wenn es denn die Chefin und zugleich ihre Mutter war, bei der ich mich einschrieb, zählte etwas mehr als das Doppelte an Jahren, trug eine schlechtsitzende falsche schwarze Mähne und brachte locker das Dreifache auf die Waage.
Etwa zwei Minuten bewunderte ich ihr rotes schulterlanges Haar, machte kehrt und stürzte die Holztreppe hoch. Das ist wörtlich gemeint. In meinem Tran verfehlte ich nämlich eine der blöden Stufen und stolperte. Doch gelang es mir, mit einem eleganten Schlenkerich die Peinlichkeit des Hinabfallens im letzten Moment abzuwenden. Vorbei an sechs Türen eilte ich den Flur entlang in mein Zimmer. Hatte ich doch tatsächlich Geldbeutel und Adressbuch vergessen.

Cool, wie Wölfe nun einmal sind, bat ich, wieder im Parterre, die blasse Schönheit das hoteleigene Telefon benutzen zu dürfen. Sie nickte kühl und distanziert und deutete mit dem Kopf auf den himbeerfarbenen Apparat zu ihrer Rechten. Für einen Moment glitten ihre Augen über mich hinweg. Nur ein winziger Moment - und ich war hingerissen. Ich benetzte die Lippen und schluckte schwer. Noch einmal hob sie die Augen, senkte sie jedoch sogleich wieder. Doch konnte ich es sehen: Glühende Sehnsucht, ruhelos lodernde Leidenschaft - die pralle Lebensfreude. Sie hatte wunderschöne große, strahlende, grüne Augen, in denen sich alle Annehmlichkeiten eines sorgenfreien Lebens vereinten.

Sah ich jemals zuvor eine vergleichbare Anhäufung unaufdringlicher, natürlicher Anmut? Nein, niemals. Sie hätte sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.
Mein Puls beruhigte sich nur langsam. Ich wählte Seilers Nummer und folgte der Ansage eines Anrufbeantworters. Eine Frauenstimme wies in deutscher und englischer Sprache auf die Nummer des Anschlusses hin. Nach dem Piepton vertraute ich der Maschine meine gegenwärtige Telefonnummer an und bat um Rückruf bis zwanzig Uhr. Als ich den Hörer aufgelegt hatte und mich meiner grünäugigen Schönen zuwenden wollte, war sie verschwunden.
Benommen schaute ich um mich und entdeckte sie hinter der kleinen Bar im angrenzenden Speiseraum. Eilends, so als könne mir jemand einen der drei Barhocker streitig machen - es war niemand da, aber das störte mich nicht -, hastete ich nach nebenan und rutschte lässig auf den mittleren.
Meine Lederjeans quietschte über den roten Lederbezug. Sie sah auf. Ihre Augen! Jesus, was für eine Frau! Geschickt meine Gefühle verbergend, sah ich in ihr zartes, fein geschnittenes Gesicht mit der kleinen geraden Nase und den schmalen Lippen und fühlte mich plötzlich sehr klein und federleicht.
Aus irgendeinem Grund verlangte es mich nach Waldmeisterlimonade, obwohl ich dieses moosgrüne Gesöff, das mich an etwas erinnerte, das im Hals steckt und nur mit Mühe herausspringt, verabscheute. Allein in meinem bescheidenen spanischen Wortschatz fand sich keine Bezeichnung für Waldmeister. Also versuchte ich es mit grünem Wald und Förster. Sie verzog keine Miene. Weshalb lächelte sie nicht? Litt sie an einer seltenen Gesichtslähmung oder Glatze im Mund? Offengestanden, allmählich regte mich die Frostmaus auf. Trampelte mir ungeniert auf dem Sack herum. Natürlich verhedderte ich mich auch noch und stotterte wie ein verlegener Schuljunge um die dämliche Waldmeisterlimonade herum. Nach dem vierten Versuch gab ich entnervt auf und bestellte einen roten Martini on the Rocks.

Irritiert spielte ich mit meinem Glas. Ich weiß nicht, was mich in ihrer Nähe hielt. Vielleicht die Suche nach dem Knopf im Ohr, vielleicht die Erwartung, sie trete nahe genug an mich heran, um einen Hauch, eine winzige Spur ihres Geruchs zu erhaschen oder die Hoffnung, sie möge ein paar Gläser zerschlagen damit ich gehässig und weithin hörbar lachen könne.
Um sie erneut anzusprechen, sträubte sich etwas in mir. Ich vermochte es nicht, meine pubertäre Hemmschwelle zu überwinden.

Copyright © 1993 - 2024 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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