Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Sechster Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Ergo verlegte ich mich auf das höchst unbefriedigende zählen der Gläser und Flaschen im verspiegelten Regal mir gegenüber an der Wand hinter der Bar. War ich durch, begann ich von Neuem. Dazwischen bestellte ich weitere Martinis - und versumpfte.

Irgendwann füllte sich der Saal. In den Zwischenräumen der siebenundzwanzig angebrochenen Flaschen und fünfundsechzig umgestülpten Gläsern spiegelte sich, was zwölf Hunger leidende Gäste hinter meinem Rücken veranstalteten.
Da gab es jene, die bei der Nahrungsaufnahme nicht nur den Mund öffneten, sondern das gesamte Gesicht zu einer abstoßenden Grimasse entstellten. Oder jene, die gleichgültig vor sich hin schmatzten und so jedem an ihrem Tun teilhaben ließen, und auch jene, die mit dem Besteck hantierten, als benutzten sie es zum ersten Mal, und dass auch nur, weil ihre Forke nicht zugelassen wurde. Und doch verband sie eine Gemeinsamkeit: ihre verstohlenen Blicke, die sie mir immer wieder zuwarfen. Wollte mich dieser fressende Mob ärgern, gar provozieren?

Ich stieg auf Jack Daniels um und hoffte ... Ja, auf was hoffte ich eigentlich? Schönes Wetter? Ein Zeichen von ihr? Vielleicht ein Lächeln? Oder auf Seilers Anruf, um beizeiten ins Bett gehen und ausschlafen zu können?
Seiler rief nicht an. Und als kurz nach 23 Uhr ein völlig unerotischer Opa meine Schönheit ablöste, stapfte ich ärgerlich zur Rezeption und hinterließ auf Seilers Telefonbutler, dass ich seinen Anruf am folgenden Morgen bis spätesten 10 Uhr erwarte. Um diese Zeit müsse ich nämlich mein Zimmer räumen.

"Waaaas?", knurrte ich schläfrig, als das Klopfen an der Tür kein Ende nahm. "Sie wünschten, sechs Uhr geweckt zu werden."
Pumuckl?! Schlagartig war ich hellwach. Mit einem Satz sprang ich aus dem Bett, presste ein aufgeregtes "Muchas Gracias!" in Richtung Tür, fand meine Hose auf der anderen Seite des Bettes unterm Fenster, klaubte sie vom Boden auf, schlüpfte geschwind hinein und hoppelte zur Tür.
Ich riss das Brett auf und Enttäuschung legte sich über das hoffnungsvollste Lächeln, das ich besaß. Der Flur war leer. Kein Pumuckl, keine Staubflöckchen, noch nicht mal ein verdammter Sonnenstrahl.

Die Hose mit beiden Händen vor dem Bauch am Bund festhaltend, stand ich auf dem Korridor und fragte mich, ob mir der Restalkohol einen geschmacklosen Streich spiele. Ich sah auf die Uhr an meinem rechten Handgelenk: Es war acht nach sechs. Aller Wahrscheinlichkeit nach war ich in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit, als ich am Vortag bei meiner Anmeldung der aufgedonnerten Person den Weckauftrag gab. Zähneknirschend trat ich den Rückzug an.

Wenn ich etwas wirklich abgrundtief hasse, dann sind das schöne Frauen, die mich mitten in der Nacht aus dem Bett scheuchen, sich verkrümeln und mich halb nackt, frierend und verkatert schutzlos einem muffigen Hotelflur ausliefern.

Meine Stimmung sackte auf den seelischen Tiefpunkt. Dort blieb sie auch während des erbärmlichen Frühstücks an einem der aufdringlich dekorierten Tische im Speiseraum. Und dabei hatte ich zur Aufhellung meines Tiefs einen Fensterplatz gewählt und die kitschigen Plastikblumen auf den Nachbartisch geworfen.
Ich schüttelte mir die Weißbrotkrümel aus dem Bart, ging zum Empfang und bat Pumuckels Mama, ihr hübsches Telefon benutzen zu dürfen. Sie grinste maskenhaft und nickte bejahend, wobei sich zwar ihr Kopf, nicht aber das Gewusel auf ihm bewegte. Es kostete mich einige Anstrengung, einen kräftigen Brüller zu unterdrücken.
"Ja?", fragte eine männliche Stimme gedehnt.
Hatte wohl Angst, ihm könne jemand ins Ohr spucken.
"Gib mir Sorbete!"
"Warum?"
Das geht dich einen Dreck an. "Wolf hier. Sorbete erwartet meinen Anruf."
"Ah ja! Wo kann er dich erreichen?"
"Hostal Alameda in Zarautz. Aber nur noch heute." Na, dann muss ich eben noch etwas bleiben. Warum auch die Eile?
"Er wird sich bei dir melden."
Klack! Für einige Augenblicke hielt ich den klobigen, tutenden Hörer ans rechte Ohr gepresst, bis es schmerzte und er mir unsanft aus der Hand zurück auf die Gabel glitt.

Mama fuhr zusammen, unterbrach die Lektüre eines Groschenromans und sah besorgt zu mir auf. Ich lächelte hilflos, mietete mein Zimmer eine weitere Nacht und ging hinauf.
War es aus der Mode gekommen, ein Gesprächsende mit einem Gruß zu signalisieren?
Dabei schien doch alles in bester Ordnung zu sein. Sorbete freute sich, als ich ihm ankündigte, nach Zumaia zu kommen. Seiler sicherte mir seine uneingeschränkte Unterstützung zu. Und meine grünäugige Schönheit ... Pingpong spielende Hormone ... wird schon werden.

Am Abend unternahm ich einen weiteren Versuch, mich mit Seiler über mein weiteres Vorgehen abzustimmen. Im Dialog mit seiner Maschine leierten wir unsere Sprüche herunter. Dann ging ich auf mein Zimmer und legte mich zu meinem extrascharfen Männermagazin aufs Bett. Orientierungslos blätterte ich darin, las hier drei, dort sieben Zeilen und betrachtete eingehend die aufgeklappte Doppelseite in der Heftmitte.
Überraschend klopfte es an der Tür. Ich öffnete und blickte in ein wunderschönes, strahlendes, grünes Augenpaar.
"Das wurde für Sie abgegeben", und reichte mir einen kleinen grauen Briefumschlag, warf einen Blick an mir vorbei ins Zimmer, lächelte wissend und verabschiedete sich.
Sie lächelte! Und verabschiedet hat sie sich auch! Was war ich doch für ein Glückskind! Sehnsüchtig sah ich ihr nach und bemerkte ein plötzlich eintretendes lebhaftes Treiben in meiner Hose.
Ich schloss die Tür, setzte mich auf die Bettkante und riss den Briefumschlag auf. Er enthielt ein zusammengefaltetes Blatt in der Farbe des Umschlages mit einer Telefonnummer und Sorbetes Namenszug.
Kurz darauf verließ ich das Hotel. War die Spur bis dahin lauwarm, erhöhte sich die Temperatur nunmehr beträchtlich. Endlich, möchte ich hier einfügen.
Es regnete. Und natürlich war es kühl. In der Telefonzelle, auf der dem Hostal und dem grünen Inselchen gegenüberliegenden Seite, wenige Meter von meinem parkenden roten Wagen entfernt, wählte ich die Nummer vom Zettel. Mit dem ersten Klingelzeichen meldete sich eine Frau.
"Wolf", stellte ich mich vor.
"Fahr zurück! Sorbete wird sich wieder melden."
Das hältst du doch im Kopf nicht aus. "Was soll das? Ist etwas passiert?"

"Er und zwei andere sind aus Bayonne kommend an der Grenze festgenommen worden."
Schwachköpfe! Das französische Bayonne war ein ebenso beliebter wie bekannter ETA-Stützpunkt. Wollte diese hohle Nuss mich ruinieren?
"O, Gott! Aber weshalb?", zeigte ich mich bestürzt.
"Wir hoffen, es handelt sich um einen Irrtum und man lässt sie heute oder morgen wieder frei. Genaueres wissen wir derzeit auch nicht. Er wird sich bei dir melden. Hasta Luego!"
"Halt! Was heißt das?"
"Sieh ins Wörterbuch."
Tut, tut, tut, tut - "War mir ein Genuss, mit dir zu sprechen. Einen schönen Tag dann noch!" - tut, tut, tut, tut, tut.

Zu Tun gab es für mich in dieser Gegend nichts mehr. Kein Grund also, mich länger als notwendig einer arbeitsfeindlichen und überdies saukalten Umgebung auszusetzen. Ich blieb noch eine Nacht und verwischte am Morgen kurz nach zehn meine Spuren.
Ausgesprochen gut fühlte ich mich dabei nicht. Dass sich Seiler trotz wiederholter Aufforderung nicht meldete, nun ja, es glitt mir am Gesäß vorbei. Hauptsache er schiebt Kohle rüber - reichlich und pünktlich. Aber Pumuckl ... Allzu gern hätte ich ihr bewiesen, dass die Dornen einer wunderschön blühenden Rose meinem Stachel nichts anhaben konnten. Doch ging mein Job vor.

Wann immer sich die Gelegenheit bot, trat ich das Gaspedal bis zum Bodenblech. Also gut, ich war gefrustet. Aber nur ein ganz klein wenig.
Abgesehen von zwei Stunden, die ich in Madrid im Stau verplemperte, weil jeder Affe glaubte, ausgerechnet dann Feierabend machen zu müssen, wenn ich in Eile bin, und einem Halt vis-à-vis des Madrider Gefängnisses, wo ich in einer Imbissbude eiligst einen Hamburger verdrückte, fuhr ich ohne Unterbrechung bis Estepona.
Ich sah nur das Schwarz des Asphalts, unterbrochen von einigen Dutzend Fahrzeugen, die mich behinderten.

Es war, als führe ich durch ein Meisterwerk des Tunnelbaus - vom Atlantik bis zum Mittelmeer nicht die kleinste trivialste Ablenkung des Kraftfahrers.

Als ich am Morgen in meinem Hotelbett erwachte und ansetzte, mich über die aufsteigende Übelkeit und den stechenden Schmerz im Unterleib zu befragen, spurtete ich auch schon zur Toilette. Bewundernd nahm ich zur Kenntnis, wie viel Energie mein revoltierender Körper nach sechzehn Stunden Fahrt und vier Stunden Schlaf aufbringen konnte. Doch die Bewunderung hielt nicht lange vor. Mehr als eine Stunde klebte ich am Porzellan, bevor ich mich ganz vorsichtig löste und wie ein tatteriger Greis zum Telefon tastete. Ich schilderte Ulli mein Nasszellenproblem und bat ihn, Tomas zu schicken. Schweiß bedeckte meinen Körper. Minütlich fühlte ich mich schwächer und miserabler.

Es war die Hölle - bestimmt aber der direkte Weg dahin. Hatten sie mich also doch erwischt. Ich sah den schwarzen Mann. Hämisch grinsend lauerte er vor der Tür. Lümmelte an der Zarge und sah mitleidlos zu mir herüber. Berief er mich ab? Diese Ungeduld aber auch. Lass es mich aussitzen, nur dieses eine Mal noch, bat ich ihn in Gedanken. Wer oder was auch immer darüber entschied, es gestand mir eine weitere Stunde zu. Und als diese ausgestanden war, rappelte ich mich auf und öffnete die Tür.

Ullis Ansatz einer lockeren Begrüßung geriet ins Stocken. Ich sah wohl ungewöhnlich deformiert aus. Seine Gesichtszüge spiegelten Entsetzen. Auch gut, so verkniff er sich wenigstens einen unpassenden Spruch. Andernfalls wäre es wirklich fies gewesen und ich hätte mir sehr genau überlegt, von ihm noch einmal ein Stückchen Kuchen anzunehmen. Denn auch ohne überflüssige erheiternde Momente fühlte ich mich erbärmlich genug. Hinter seinem breiten Rücken, ein beruhigendes Doktorlächeln auf den Lippen, peilte Tomas hervor. Hatten sie geklopft? Ich musste es überhört haben.
Tomas fasste mich bei der Schulter und schob mich mit sanftem Druck zum Bett.
"Lebensmittelvergiftung", diagnostizierte er etwas später in einer wohltuend unverschlüsselten Sprache und schüttelte verwundert den Kopf.
"Was hast du zuletzt gegessen?"
"Ham-bur-ger."

"Fleischvergiftung. Gut. Das kriegen wir schon wieder hin. In einer Woche ist alles überstanden." Sprach es und verschwand, um allerlei Wundermittel aus der Apotheke zu besorgen.

Drei lange, grauenvolle Tage stand ich unter Kloarrest. Kaum eine Stunde verging, ohne dass es mich nicht drängte, das kleine weiße Ding zu umarmen. Dann erst war ich so weit genesen, dass ich mein Hotelzimmer verlassen und in der Pasteleria nach dem Rechten sehen konnte. Es lag weder von Seiler noch von Sorbete eine Nachricht vor.
Und nach fünf weiteren Tagen war es nur noch eine Episode mit - für mich - zweifelhaftem Unterhaltungswert.

Tagelang tingelte ich zwischen meinem Büro und der Pasteleria hin und her. Beinahe zwei Wochen waren seit meinem letzten Anruf vergangen, als ich am Mittwoch die Konditorei betrat und mit meinem Erscheinen das Telefon aufschrillte. Ullis flippige Verkäuferin hob ab, lauschte und reichte mir aufgeregt den Hörer.
"Deutschland! Für dich!"
Kundschaft wartete auf sie.
"Na, wenn das keine Überraschung ist!"
Ich wusste nicht, wer sich am anderen Ende überraschte. Aber kommt ein Anruf nicht immer irgendwie überraschend?
"Wir konnten uns nicht früher melden." Bernhards monotone Stimme brach ab.
Ich nutzte die entstandene Pause und schilderte ihm mit wenigen Worten, was sich im Baskenland ereignete. Oder genauer: was sich nicht ereignete.
"Es tut mir leid, mehr war einfach nicht drin."
"Du musst dich nicht entschuldigen. So was kann immer mal wieder passieren. Ich werde prüfen lassen, was an der Grenze vorgefallen ist. Seiler wird dich in den nächsten Tagen anrufen und alles Weitere mit dir besprechen. Kopf hoch! Bleib am Ball!"

Bei Bernhards sportlichem Abschiedsgruß wurde mir gewahr, wie weit sich meine Augen im Abseits befanden. Unwillig nahm ich sie vom Hintern des süßen neunzehnjährigen Mädchens, das sich eben über die Kühltheke beugte, um eine Kundin auf frischen Käsekuchen hinzuweisen.

Copyright © 1993 - 2024 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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