Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Vierter Teil
Bevor ich über einen der verschlungenen Pfade des Lebens wandelte, tasteten meine feurig braunen Augen über Biggis weißberockten Po. Natürlich tasteten sie nicht. Sie klebten an ihm und ich hatte große Mühe, sie zu lösen, um sie auf etwas gewöhnlicheres zu richten - ein Frühstück nämlich, das ich mir auch gleich aus der Backstube holte. Doch kaum hatte ich mich erneut in Position gebracht und meinen lüsternen Blick auf sie gerichtet, klingelte das Telefon. Mit einer Prise zu viel Schwung kam sie geschmeidig auf die Beine. Ihre linke Brust purzelte aus der ein paar Knöpfe zu weit offenstehenden, enganliegenden weißen Bluse. Ich hielt im Kauen inne, trank einen Schluck Milch und sah, forschend und unbeteiligt zugleich, ins Glas.
Nervös am Stoff zupfend ging sie um den Verkaufstresen herum zum Telefon und nahm den Hörer ab, um ihn gleich darauf am ausgestreckten Arm mir entgegenzuhalten. Sie sagte nichts, sah mich nicht an.
Lustlos stieß ich mich von der Pendeltür ab, trat hinter sie, ergriff den Hörer und klemmte ihn zwischen Schulter und Ohr. Noch einmal biss ich von meinem Schweinsohr ab und schmatzte dann irgendetwas Unverständliches in die Muschel.
"Herr Fechter?"
"Hm."
"Mein Name ist Martin Seiler. Herr Bernhard hatte Sie bereits über meinen Anruf informiert?"
"Hm."
"Morgen werde ich Ihnen telegrafisch sechshundert Mark überweisen. Brauchen Sie mehr, lassen Sie es mich bitte umgehend wissen. Hier meine Nummer. Haben Sie Stift und Papier zur Hand?"
"Hm."
"Null, acht, zwo, fünf, null ist die Vorwahl. Dann: Sieben, null, drei, zwo. Die Einwahl von Spanien aus, die haben Sie sicher. Unter dieser Nummer erreichen sie mich zu jeder Tages- und Nachtzeit. Melden Sie sich sofort, wenn Sie oben angekommen sind. Besteht auch nur die allerkleinste Hoffnung, in diese Kreise tiefer einzudringen, müssen wir uns umgehend zusammensetzen. Derzeit ist noch offen, ob ich zu Ihnen komme, Sie nach Deutschland kommen müssten oder ob wir uns in einem Drittland treffen. Vorab werden wir aber schon mal prüfen, ob in Deutschland etwas gegen Sie vorliegt. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?"
"Hm."
"Schön. Dann also bis demnächst."
"Hm."
Und was war jetzt das? Meine Gedanken waren ganz woanders. Ich legte auf und pflegte noch ein Weilchen die Erinnerung an Biggis Ausrutscher. Man, das war doch mal was an einem verkaterten Montag.
Was glaubte dieser Seiler, wer ich bin? Herr Oberstudienrat? Selbstverständlich hatte ich weder Papier noch Stift zur Hand - ich frühstückte. Meine Hände waren beschäftigt, wie auch meine Augen Reizvollerem folgten. Und in meiner Hose herrschte gespannte Unruhe. Die Telefonnummer merkte ich mir und notierte sie am Abend, nachdem sich meine Bewusstseinstrübungen weitestgehend aufgelöst und ich Sorbete angerufen hatte, um ihm zu sagen, dass ich gegen Ende der Woche bei ihm vorbeischauen würde. Er freue sich schon, sagte er. Und dabei kannte er mich genauso wenig, wie ich ihn kannte. Aber trotzdem nett von ihm.
Meine gute Teresa brachte uns zusammen, als ich sie um die Vermittlung eines Jobs bat und ganz nebenbei meine Sympathien für die ETA erwähnte.
Vier Tage danach kam sie freudestrahlend ins MANICOMIO und überreichte mir, feierlich mit einem sabbernden Küsschen auf die Wange, eine leere Packung Fortuna. Auf die Innenseite der Zigarettenschachtel hatte sie mit ungespitztem Bleistift eine Telefonnummer gekritzelte. Es sei genau das, wonach ich suchte, sagte sie, und drückte mir gleich noch einen ihrer räudigen Schmatzer auf die Wange. Sorbete wisse Bescheid. Und einen wie mich könne man immer gebrauchen. Ich solle ihn anrufen und alles Weitere mit ihm besprechen. Teresa lächelte verliebt und wartete womöglich auf Zärtlichkeiten. Ihr abgestandener Atem bewahrte mich noch rechtzeitig vor einer unüberlegten Wiederholung einer unerfreulichen Erfahrung. Doch empfand auch ich Freude. War es doch der Erste greifbare Erfolg.
Dank Teresa verschob ich meine Reise nach El Salvador ein weiteres Mal und widmete mich stattdessen der spanischen Terroristen.
Das Postamt von Estepona war am malerischen Paseo parterre in einem hässlich, schmutzig grauen, ganz und gar nicht in die Umgebung passenden zehnstöckigen Betonklotz ohne erkennbaren Außenanstrich untergebracht. Keine fünf Meter vom Strand entfernt. Ein Mäuerchen, hinter dem sich die lose Anhäufung kleiner quarzhaltiger Mineralkörner und allerlei halb nackte Menschen ausbreiteten, begrenzte den Paseo, die beliebte Flaniermeile, auf der einen Seite. Auf der anderen, der Stadt zugeneigten, wuchsen prächtige, Schatten spendende Palmen empor dem wolkenlosen blauen Himmel, Bänke luden abgespannte Voyeure zum Verweilen ein und Wasserspender sorgten für die in diesen Monaten heiß begehrte Erfrischung.
Zwei Tage nach Seilers Ankündigung erkundigte ich mich nach der telegrafischen Überweisung. Hinter dem längsseits durch das schmucklose Postamt gezogene Holzbrett boten sich drei junge Männer zwei Kundinnen an. Sie machten ihre Sache auch ohne Glasabtrennungen und Ärmelschoner ganz gut, wie mir schien. Ich trat an den hinteren gestriegelten Jüngling heran und bat ihn, nach meinem Geldtelegramm zu sehen. Er beugte sich zur Seite, äugte umständlich unter das Holzbrett und schob seine Hände nach. Zuvorkommend lächelnd bejahte er kurz darauf meine Frage, weigerte sich aber zugleich, mir das Geld auszubezahlen. Mein Gesicht sei nicht zu erkennen, bemängelte er.
Wie ungeschickt und kleinlich Postbedienstete manchmal sein können. Bin ich etwa gegen einen Bus gerannt? Mitnichten. Dieser Mensch stieß sich an meinem naturbelassenen Haarkleid. Offenbar beeindruckte ihn die unschuldige Nacktheit auf dem Foto meines Reisepasses, den ich ihm mit meiner Bitte überreicht hatte.
Da stand ich nun mit meinem wild wuchernden Gesichtspelz und einem begrenzten Vorrat an Geduld. Sicher, oberflächlich betrachtet war die Ähnlichkeit zwischen dem Foto und mir gleich null. Doch deswegen rasieren? Ohne Krümelfänger bekäme ich möglicherweise mein Geld, zweifellos aber keinen Fußbreit auf das Terrain meiner Zielgruppe. Umsichtig eingesetzte Äußerlichkeiten öffneten so manch verriegeltes Tor.
Keine Frage, die Matte blieb dran.
Honigsüß lächelnd bot ich ihm, um Harmonie bemüht, einen direkten Vergleich mit dem bebarteten Konterfei meines Führerscheinfotos an. Stur lehnte er ab.
Nun hielt ich es für meine vornehme Pflicht, ihn darauf hinzuweisen, dass ich Willens, in der Lage und in der Verfassung sei, ihm wehzutun, wenn er nicht augenblicklich seine Haltung ändere. Er änderte: Streckte sich, trat drei Schritte zurück, schüttelte verneinend den Kopf und sah Hilfe suchend nach allen Seiten. Längst hatten seine beiden Kollegen bemerkt, dass zwischen uns die Luft brannte, ließen sich aber von ihrem Tun nicht abhalten - bis auf einen.
Er kam aus dem durch von der Decke zum Boden fließenden Milchglas abgetrennten, rückwärtigen Raum fragend auf mich zu: "Kann ich dir helfen, Wolfi?", und trat an den Tresen.
Wie kam er dazu, mich Wolfi zu nennen? Weil es alle taten? Wolfi! Wie abartig. Ich, der verniedlichte Wolf.
Irgendein Hirsch, aus vermutlich zarten Kindheitstagen, fing damit an. Und durch geheimnisvolle Kanäle sprach es sich weltweit herum. Seit ich denken kann, nennt mich jeder Trottel Wolfi. So als stünde es mir auf die Stirn tätowiert. Gefragt, und sei es nur aus Höflichkeit oder Neugier, wurde ich jedenfalls nie. Warum eigentlich Wolfi und nicht Wölfchen?
Ich erläuterte dem Herbeigeeilten den Sachverhalt in knappen emotionslosen Sätzen, woraufhin er seinem schmollenden Untergebenen anwies: "Zahl ihm das Geld aus! Er ist hier persönlich bekannt."
Ich quittierte ihm die Entgegennahme von 40.610 Peseten, faltete das Bündel Scheine und stopfte es in die rechte Hosentasche. Nicht eine Sekunde ließ ich die beiden aus den Augen. Das Klimpergeld nahm ich in die Hand, nickte meinem Fürsprecher zu und machte mich mit großen Schritten davon. Keiner dieser Geier sollte noch einmal über meinen Lohn richten dürfen.
Auch wenn er mich mit Wolfi ansprach, sah ich ihn doch nie zuvor. Einer alzheimerte. Ich hieß nicht Einer.
Rossmann hieß mein anonymer Wohltäter - der Kassenwart oder der Laufbursche. Wie auch immer: Entspannt vor meinem Büro sitzend, die Beine locker übereinandergeschlagen, eine gute Zigarette lässig zwischen den Lippen und ein kräftiges Käffchen in der Hand, las ich den vor mir auf dem Tisch liegenden Beleg des Geldtelegramms. Soso, ein Herr Rossmann hatte also am Vortag den Betrag am Münchner Flughafen eingezahlt und aufgegeben. Mehr war dem Streifen nicht zu entnehmen. Wie spannend. Mein guter Rossmann würde von nun ab hoffentlich öfter den Weg zur Post im Münchner Airport finden. Verträumt legte ich den Kopf in den Nacken - kein Wölkchen am Firmament.
*****
Wie alles begann, wissen Sie nun. Bliebe noch zu erwähnen, dass ich mich tags darauf von Ulli verabschiedete, es mir um die Mittagszeit in meinem kleinen roten Ford bequem machte und in nördliche Richtung losbrauste.
Womit wir an der Stelle wären, an welcher ich Ihnen begegnete. Natürlich nicht an exakt derselben. Wie Sie sich erinnern, war ich ein ganz klein wenig in Eile.
Meine Route führte mich vorbei an den verwitterten, vorgeblich unüberwindbaren Mauern des berüchtigten Madrider Gefängnisses. Kletterndes Grün bahnte sich den Weg hinauf. Putz bröckelte. Um seinen Ruf musste sich niemand sorgen - der ging ihm voraus. Nach allem, was man sich über diesen Knast erzählte, wünschte ich keinem eine längere Verweildauer als drei Minuten darin.
Ein Bett musste sich kaufen, wer den Luxus suchte. Gegen Cash, von Mitgefangenen. Handverlesene erledigten einfache Küchenarbeiten und das Fegen des Gefängnishofes. Die Mehrheit der Insassen musste sich nicht mit der Hoffnung auf Ablenkung durch Arbeit belasten. Auf andere Gesellschaftsspiele dagegen schon. Da gab es die, die ihren Überschuss an ungenutzten Energien über wohldosierte Aggressionsentladungen abbauten. Andere unterwarfen sich der schleichenden Verblödung. Dafür war reichlich Zeit. Brauchte sich keiner beeilen. So was kommt von alleine, kostet nichts und ist schmerzlos. Mir gegenüber behauptete Mal einer, er habe da drinnen dem Tod ins Auge gesehen. Geradezu unanständig maßlos übertrieben: Es kann nicht leben, wer den Tod gesehen.
Angeblich rechtfertigten es die örtlichen Besonderheiten, dass die deutsche Justiz für jeden in Spanien abgesessenen Monat gleich zwei anrechnete. Kein Spaß! Ein echtes Schnäppchen für jene, die in Spanien eingelocht und einige Monate später nach Deutschland abgeschoben wurden. Knast zum Spartarif. Nicht Meilen, Knasttage galt es zu sammeln.
Über Burgos und Vitoria erreichte ich kurz vor 3 Uhr San Sebastián. Unbehagen breitete sich in der Magengegend aus. Nicht übermäßig viel, aber doch ausreichend, um ein wachsames Auge in die Dunkelheit zu platzieren. In dieser Gegend galt es bis vor Kurzem noch als Chic, Fahrzeuge mit deutschen Kennzeichen abzufackeln. Natürlich war das Geschichte. Aber mulmig war mir doch ein bisschen. Gibt es nicht zu allen Zeiten fanatische Anhänger des Gestrigen? Und wer weiß schon, was gerade In ist.
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