Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Zwölfter Teil
Ich schlief ausgesprochen gut, tief und lange. Seiler weckte mich mit seinem Anruf kurz vor zehn. Was wäre ein teures Hotel ohne Service? Na? Genau – ein teures Hotel. Eigentlich sollte ich um diese Zeit bereits seit zwei Stunden frisch und munter durch die Gänge hüpfen.
Stattdessen fröstelte ich an diesem grauen, kühlen Morgen. Es nieselte und wir schlenderten durch Salzburg. Ziellos, wie mir schien. Weit weg vom Flughafen. Eine geschlagene Stunde spielte ich sein dämliches Spiel mit, dann schlug ich ihm sanft auf den Rücken und sagte: „Schönen Tag noch!“, wandte mich ab, vergrub die Hände tief in den Hosentaschen und strebte meinem Hotel zu. Mein ausgeprägter Orientierungssinn war gefürchtet.
„Halt! Stehen bleiben!“
Oder ich schieße, komplettierte ich seinen Ausbruch in Gedanken und blieb im Regen mit dem Rücken zu ihm stehen. Vier vorüberschlurfende Passanten hoben ihre hängenden Köpfe und sahen grimmig zu uns auf. Jesus, was für ein beängstigend freundliches Nest.
„Was ist los? Markus erwartet uns um zwölf. Du kannst jetzt nicht einfach gehen.“
Schwaches Argument. Das kann ich nämlich schon seit einem Vierteljahrhundert. Dieser Mensch hatte keine Ahnung, was alles in mir steckt.
Martin nickte zu dem kleinen Café, vor dem er stand. „Komm, setzen wir uns hier hinein.“
War doch noch nicht alles verloren? Plötzlich roch ich Kaffee und Mohnkuchen. Spontan orientierte ich mich neu.
Fünfzig Minuten bohrte und bohrte und bohrte ich, aber aus Seiler war, außer belangloser Konversation, nichts zu holen. Lag wohl an dem, was er trank. Irgend so ein ekelhaft gesundes Zeug aus gemixter Kuhmilch.
Martin beglich die Rechnung und führte mich drei Blocks und eine Querstraße weiter in ein, wie soll ich sagen, gutbürgerliches Restaurant. Wobei ich bürgerlich betont wissen möchte.
Im Eingangsbereich tänzelte eine lustige Wolke aus Bier, Urin und Katzenkot. Wahrscheinlich von den Nachbarn. Links, in der Ecke neben der Tür, saß der einzige Gast. Einsam schob mein auf Ecken fixierter Bernhard sein Glas Mineralwasser zwischen den Handflächen über die blanke Tischplatte.
Die Begrüßung fiel knapp aus – ein Handschlag, kein Wort. Ich setzte mich den beiden gegenüber und zündete eine Zigarette an. Im Hintergrund schlug eine Tür zu. Ich warf den Kopf herum und stützte mich mit den Händen auf Tisch und Stuhl – zum Sprung bereit. Es war nicht mein Tag.
Eine erschreckend hässliche Frau kam schleifenden Fußes durch die Tischreihen den Gang entlang. Ihr derbes Schuhwerk zeichnete Markierungen auf die Dielen. Sie nickte einen Gruß und legte vor jeden einen Bogen fettbespritztes Papier. Ohne einen Blick darauf zu werfen, wusste ich, was die Karte bot: Ihr Umhang, eine Art Schürze oder so was verriet es mir. Bewegungslos, die Augen niedergeschlagen, stand sie da. Fahl und müde ihr Gesicht. Das strähnig blonde Haar nachlässig verknotet. Sie war jung, kaum über zwanzig, und nach einem Vollbad bestimmt eine wirkliche Kirsche.
Markus und Martin bestellten Mineralwasser, ich mir drei Kännchen Kaffee und drei Gläser Traubensaft. Hunger hatte keiner von uns.
„Willst du das alles trinken?“, fragte Seiler ungläubig, als sie abgezogen war.
Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Die Kleine muss Geld verdienen. Und Sie zahlen. Wo liegt Ihr Problem? Ich hätte auch zwölf Essen bestellen können.“
„Spinner! Was geht uns dieser Trampel an.“
„Dafür haben wir jetzt keine Zeit.“ Bernhards Ungeduld war unüberhörbar. „Weder wir noch befreundete Dienste haben gesicherte Erkenntnisse darüber, inwieweit die ETA zur RAF, und umgekehrt, Beziehungen unterhält. Ich gestehe ein, wir begeben uns da auf Neuland. Deine Aufgabe wird es sein, dieses Feld zu beackern.“
Seit mehr als zehn Jahren sei er dabei, doch noch nie habe auch nur der Funke einer Hoffnung bestanden, einen seiner Leute in eine ausländische terroristische Vereinigung einzuschleusen. Schwerpunktmäßig müsse von mir die Struktur der ETA und deren Verbindungen zu deutschen Terroristen aufgeklärt werden.
„Die Bezahlung ist gut“, sagte Martin.
„Sie ist außerordentlich gut“, stellte Markus richtig. „Wir lassen uns dein Risiko einiges kosten. Sobald die Sache in ein, zwei oder drei Jahren gegessen ist, erhältst du eine finanzielle Abfindung, die es dir ermöglicht, einige Jahre problemlos über die Runden zu kommen. Zunächst zahlen wir dir ein wöchentliches Handgeld von sechshundert Mark. Nach den ersten greifbaren Erfolgen wird es auf bis zu eintausendfünfhundert angepasst.“
„Wie sieht es mit einer Erfolgsprämie aus?“, unterbrach ich meinen Bankier.
Trotz nur bescheidener landwirtschaftlicher Kenntnisse hatte ich dennoch sofort erkannt, dass hier Hand an ein pralles Euter gelegt werden müsse.
Meine unschuldige Frage rief in Bernhard Unbehagen hervor. Er zögerte, sah kurz zu mir, dann etwas länger zu Martin.
Gequält lächelnd sprach er zu seinem leeren Wasserglas: „Ich bin befugt, dir neben deinem Honorar zusätzliche Prämien in Höhe von jeweils einem Wochenlohn zuzusprechen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass du uns wesentliche personenbezogene Daten lieferst. Ohne Zweifel, das räume ich ein, ist deine Aufgabe nicht ganz ungefährlich. Doch ist das bereits in deiner Entlohnung berücksichtigt. Und da sie sich zunehmend ausländischer Söldner bedienen, ist die Richtung vorgezeichnet. Tu mir also den Gefallen und halte dich bei Anschlägen etwas zurück. Ich kann dir in finanzieller Hinsicht beistehen, mehr aber ist nicht drin. So viel dazu. Martin wird mit dir die technischen Einzelheiten besprechen.“
„Geduld, Geduld! Warum die Eile. Ich muss noch eine Blockade überwinden. Sie werden es kaum für möglich halten, aber mein ganzes Talent entfaltet sich erst bei der Bekanntgabe des Jackpots. Wie hoch ist die Abfindung?“
„Angemessen. So hoch, dass du sie nicht ablehnen kannst.“
Will ich auch gar nicht. „Kann ich nicht?“
„Kannst du nicht!“
„Wie viel kann ich nicht ablehnen?“
„Viel!“
„Wie viel ist viel?“
„Hundertfünfzigtausend.“
„Dollar?“
„Mark.“
„Also, Dollar.“
„Nein, Deutsche Mark.“
„Habe ich richtig verstanden: hundertfünfzigtausend US-amerikanische Dollarschen?“
Verschwörerisch wie zwei schlitzohrige Gebrauchtwagenhändler sahen sie sich tief in die Augen.
„Amerikanische Dollar“, lenkte Markus etwas verschnupft ein.
„Na, wenn es so ist, da greif ich doch glatt zu. Kenne ich keine Hemmungen. Für den Batzen bekommen Sie schon einiges geliefert, seien Sie unbesorgt“, lächelte beiden freundlich zu und griff nach der Zigarettenschachtel neben der Kaffeetasse.
Markus entschuldigte sich und ging zur Toilette. Als er außer Hörweite war, begann Seiler, mir aus irgendeinem Grund sein Herz auszuschütten. Er beklagte sich über das Wetter, die verkommene Menschheit, die nur noch an Geld, Mord und Totschlag denke, und die ständig steigenden Benzinpreise. Ich lieh ihm mein linkes Ohr. Das Rechte lauschte dem vergnüglichen Singsang aufeinander prasselnder Steuertaler. Die Musik verstummte als Bernhard zurückkehrte und Seiler von seinen Verteufelungen geschickt in die Frage nach einem Nachbarort Esteponas mit mehreren Hotels überleitete. Ich zog mir das dritte Kännchen Kaffee heran und bejahte. Denn in einer Gegend, die nahezu ausschließlich vom Tourismus lebt, kann man fest damit rechnen, auch eine Unterkunft zu finden.
„Schick mir eine Liste aller Hotels der mittleren Preisklasse. Nummeriere sie durch und behalte eine Kopie für dich. Wenn ich runterkomme, nenne ich dir am Telefon nur die Nummer des Hotels, in dem ich absteigen werde.“
Übermütig fragte ich, ob ich die Liste seinem Anrufbeantworter übermitteln sollte. Beide lachten. Ich fand das gar nicht komisch. Schließlich war es eine handfeste Kritik.
Lachend griff Seiler in die rechte Innentasche seines mintgrünen Blazers. Nach einem Moment des Wühlens förderte er ein kleines in dunkelbraunem Leder eingeschlagenes Ringbuch ans fahle Kneipenlicht, öffnete es, ohne abzulegen, und riss eine Seite heraus. Mit dem Zeigefinger schob er sie über den Tisch. Ich langte über meine Kaffeetasse, fokussierte die grüne Tinte an, trennte sie vom karierten Papier und löste das Rätsel der ungelenken Handschrift: Inge Spiegel, Postfach 1321, D-8033 Planegg. Telefon: 08250/7032. Ohne ein Wort zu verlieren, nahm ich den Zettel, faltete ihn ein Mal in der Mitte und steckte ihn in die Hosentasche.
„In Estepona eröffnest du dir ein Konto“, fuhr Martin fort, „Bei welcher Bank, spielt keine Rolle. Schick uns gleich die Kontonummer, damit wir dein Geld überweisen können. Und nun zum letzten und wichtigsten Punkt.“
Seiler fragte mich nach einem geeigneten Treffpunkt, und ich schlug die Cafeteria im Bus Terminal von Estepona vor. Meiner Meinung nach ideal, weil großräumig und gut überschaubar. Er fand den Vorschlag großartig und schlug folgenden Ablauf vor: Unsere Kränzchen würden grundsätzlich sechzehn Uhr stattfinden. Er selbst wird vor mir in der Cafeteria sein. Für den Fall, dass ich nicht sauber sei (Ich glaubte nicht, dass er absichtlich ausfallend wurde.), also einen Schatten habe, würde ich mich suchend nach allen Seiten umsehen und wieder verschwinden. Eine Stunde später sollte es einen erneuten Anlauf geben. Klebe dann noch immer einer an mir dran, erfolgt um elf Uhr des nächsten Tages ein vorerst letzter Versuch. Seiler steigerte sich in die Schilderung seines verwegenen Planes. Er hob die Stimme und verfiel in einen Galopp; das Gesicht überzog ein feines Rot, die Augen glänzten und wild gestikulierten seine Arme vor Bernhards Gesicht.
Fiele schließlich auch dieser ins Wasser, müsse ich in Deutschland anrufen. Dort werde man schon irgendeine Möglichkeit finden, um mit mir in Kontakt zu kommen. Dieser Weg sei etwas umständlich, aber sicherer, und damit gesünder, als Verrenkungen anzustellen, um einen Schatten abzuschütteln. Wer nämlich versuche, klärte mich Seiler auf, einen vermeintlichen Verfolger loszuwerden, bekennt sich schuldig. Er bestätigt, dass irgendetwas mit ihm nicht stimme, er weder sauber noch porentief rein ist. Ein richtiger Profi benehme sich absolut unauffällig.
Ahnte ich es doch. Aber schön, dass einem das Mal einer erklärt. Für den Normalfall sah sein Plan vor, dass ich die Cafeteria betrete, mir an der Theke eine Packung Zigaretten kaufe, den Ort verlasse und ein Taxi zu seinem Hotel nehme.
„Hast du alles mitbekommen?“
Ich schwieg. Ich dachte nach.
„Alles verstanden?“
„Was, meinen Sie, könnte ich nicht verstanden haben?“ Bei allem Respekt vor seiner ausgeklügelten Strategie blieb dennoch die eigentlich entscheidende Frage: „Was geschieht, wenn, wie abzusehen ist, ich mich an ständig wechselnden Orten aufhalte?“
„Auch dafür wird sich eine Lösung finden lassen – nur jetzt nicht. Wir müssen langsam zum Abschluss kommen“, drängte Bernhard und reichte mir ein Bündel Geldscheine über den Tisch. „Für diese Woche. Ab der Nächsten überweisen wir auf dein Konto.“
Ich nahm ihm die Scheinchen aus der Hand und zählte zwölf knitterfreie Fünfziger. Nicht, dass ich ihnen misstraut hätte ... ich doch nicht.
Markus rief das Mädchen an den Tisch, zahlte exakt den von ihr genannten Betrag und bat um eine Quittung.
Sie stellte ihm den Nachweis aus und schob Tassen und Gläser zusammen.
Beim Hinausgehen kehrte ich noch einmal zurück, griff von hinten um sie herum – ihr Haar roch nach allem, was auf dem Fetzen klebte, den sie am Körper trug – und legte einen Zwanzigmarkschein vor ihr auf den Tisch.
Fragen Sie mich nicht nach dem Warum. Ich kenne es nicht. Mir war einfach so. Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Es war ein Ausrutscher. Glauben Sie bloß nicht, mir passiert so was öfter. Eigentlich war ich selbst überrascht. Vielleicht ihre verdammten Augen? Vielleicht zogen sie mir das Geld aus der Tasche? Wäre doch möglich. Jedes Mal, wenn ich sie ansah, glaubte ich, Tränen in diesen warmherzigen, traurigen braunen Augen zu erkennen. Fürchterlich! Und jetzt muss ich mich auch noch rechtfertigen. Ja, wo sind wir denn?
Hastig verabschiedeten wir uns auf dem Gehweg vor der Kneipe. Markus stöhnte, dass es bereits halb drei sei und in München ein Stapel Arbeit auf sie warte. Martin stand nur da und musterte mich unauffällig auffällig.
Schließlich machten sich meine geheimen Partner auf den Weg zu ihrem Wagen und ich nahm mir ein Taxi zum Flughafen, um mein Ticket für den Rückflug bestätigen zu lassen. Ich buchte für den nächsten Tag 16:10 Uhr und fuhr ins Hotel.
Beim Betreten des Vestibüls registrierte ich blitzschnell den angenehmen Wandel hinter dem Empfang. Wen wundert’s: Einem Wolf in geheimer Mission entgeht nichts. Wohlan, furchtloser Wolf, sagte ich mir, und schritt gedankenversunken durch die Halle bis zur Treppe. Ich war in Goldgräberstimmung. Ihren Gruß überhörte ich. Das war Teil meines Plans. So als habe mir in eben diesem Moment die alles entscheidende Eingebung einen Stoß verpasst, machte ich abrupt auf der ersten Stufe kehrt.
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