Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Vierzehnter Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

Martin rief am Montag an. Halb zwölf in der Nacht. Ich hatte den Wachdienst in der Pasteleria übernommen. Er werde am Mittwoch Geld für mich abschicken. Ich nannte ihm die Bank und die Nummer des Kontos, das ich am Vormittag einrichtete.

Tags drauf meldete er sich um dieselbe Zeit und kündigte die Überweisung für Freitag an.
Sie kam am Samstag, wenige Minuten vor Schließung des Postamtes. Ein Geldtelegramm mit 100.000 Peseten. Grob über den Daumen: 1.600 DM. Am Morgen auf dem Münchner Flughafen eingezahlt.
Pfiffige Statistiker fanden heraus, dass spanische Post- und Bankräuber vorzugsweise während der kühleren Nachmittagsstunden anklopften. Da war es nur konsequent, dass diese Institute ihre Pforten vor dem kaum zu bewältigendem Ansturm bereits mittags schlossen.

Am Nachmittag tätigte ich einige kleinere Besorgungen und verbrachte die Nacht wieder mal im IPANEMA. Zerknittert machte ich mich in den frühen Morgenstunden, so gegen neun, zu Teresas Cerveceria auf. Wir waren allein und sie wollte Sex. Warum nicht. Mal was Neues. Eine Bierbar hat seine Reize, wenn auch meist erst nach dem dritten Glas. Und die brachte ich mit.

Zunächst aber dürstete mein Körper nach Kaffee. Viel Kaffee. Sie stellte mir einen kräftigen Muntermacher auf die Bar und öffnete langsam die drei oberen Knöpfe ihrer Bluse. Ein hässliches, tiefrotes Teil mit Goldstickereien. Ich wurde den Verdacht nicht los, sie versuche sich in einer verführerischen Pose. Der Frau fehlte einfach nur unendlich viel Übung.
Ungeduldig kontrollierte sie den Pegelstand meiner Tasse. Meine einzige Hoffnung, sie möge mich vor dem Anblick ihres blutleeren Fleisches bewahren, wurde nicht erfüllt. Damit war mein Vorrat an Verständnis aufgebraucht.
Nach einer halben Zigarette schlief ich ein. Man ist eben nicht mehr der Jüngste.

Zwei Stunden Schlaf auf einem wackligen Barhocker war nicht das, wonach ich mich nach einer durchgemachten Nacht sehnte. Doch empfand ich eine erstaunliche Frische. Mein Kaffee war natürlich kalt. Teresa ebenso. Auch recht. Ich bat sie um Füllhalter und Papier, setzte mich an den Tisch neben der Tür und schrieb an Sorbete.

Von den fünf kleinen Tischen, die Teresas Bierbar bot, war jener unmittelbar neben dem Eingang der Begehrteste. Denn insbesondere zur Mittagszeit sorgte hier ein ungebremstes Lüftchen für ein wenig Abkühlung. Für die Pechvögel auf den hinteren Plätzen und an der Bar blieb meist nur die eigene Belastbarkeit auszutesten oder andere Pflichtübungen wie eifriges Zeitungswedeln.

Meine bescheidenen Spanischkenntnisse reichten bei Weitem nicht aus für eine schriftliche Verständigung auf höherem Niveau. Deshalb trug ich den verfassten deutschen Text Teresa mündlich vor. Sie schrieb, ohne Nachholbedarf für den entgangenen Spaß anzumelden, einen gewöhnlichen Urlaubsbrief. So unverfänglich, dass ich von einer Überprüfung des Textes absah. Ich vertraute darauf, dass sie mit dem fertigen Produkt keine Einkaufsliste ablieferte. Und Sorbete würde mich schon verstehen.

Für Seiler stellte ich dann noch die gewünschte Hotelliste zusammen. Hierzu breitete ich die beiden Hotelführer der Costa del Sol, die ich auf dem Weg zu Teresa aus dem Touristikbüro am Paseo mitnahm, nebeneinander vor mir auf dem Tisch aus und nummerierte die infrage kommenden Häuser durch. Fünf an der Zahl. Allesamt bei San Pedro, einem Kaff an der Hauptstraße nach Marbella, wenige Kilometer von Estepona.

Der Sinn stand mir nach einem gemütlichen Tässchen Kaffee, als ich mich am Dienstag zu Teresas Cerveceria aufmachte. Doch kaum hatte ich einen Fuß über die Schwelle gesetzt und ein freundliches „Buenos días!“ vorausgeschickt, winkte sie mich aufgeregt zur Bar. Hektische Röte stand ihr im Gesicht.
„Die Polizei war hier. Sind gerade erst weg. Deinetwegen waren die hier“, sprudelte es aus ihr heraus.
„Und?“, fragte ich gelassen.
Zwei Männer von der Geheimpolizei haben sie mehr als eine Stunde ausgequetscht. Ich lächelte zurückhaltend. Die Bezeichnung Geheimpolizei war mir nicht geläufig. Was nicht heißt, dass ich sie nicht kannte. Doch, doch, aber eben nur aus Geschichtsbüchern. Und obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, weshalb diese umtriebige Spezies meinetwegen ihr Unwesen treiben sollte, verspürte ich doch einen bitteren Geschmack, der mir den Mund verklebte. Ich trank gesüßten Kaffee und spülte ihn hinunter. Um ganz sicher zu sein, sie richtig verstanden zu haben, bat ich sie um eine Erläuterung des Wortes.
„Zivilpolizei. CIA. Spanisch.“
Über alles Mögliche habe man sie befragt. Was ich treibe, wovon ich lebe, mit wem ich verkehre, wo ich wohne und weitere Allgemeinheiten, die jeder im Ort, der mich oberflächlich kannte, hätte beantworten können. Ihre Hände zitterten. Für mich unverständlich. War es angst oder Ausdruck von Hilflosigkeit, weil sie keinen Draht in diese Kreise hatte? Sie trank Wasser mit dem Saft einer halben Zitrone darin. Unruhig wie ein Vogel nahm sie viele kleine Schlucke, sah auf und setzte von neuem an. Etwas lief übers Kinn, tropfte in ihren Busen. Sie nahm es nicht wahr. Es strengte mich an, ihrem Redefluss zu folgen. Immer wieder überschlug sich ihre Stimme. Tränen rannen über ihr Gesicht, als sie die Aufforderung der Geheimpolizei, ich solle umgehend aus Spanien verschwinden, wiederholte. Gott, ging mir ihre bühnenwirksame Melodramatik auf den Senkel. Hinter mir schlürfte ein Alter genüsslich sein Bier. Geräuschvoll stellte er das Glas auf den Tisch zurück.
„Sie sagten, dass sie auch ohne dahergelaufene Söldner genug zu tun hätten. Und du sollst verschwinden. Und wenn nicht, dann ... dann ... Sie sagten, dass nach dir sowieso kein Hahn krähe“, legte die Stirn auf die Theke und weinte still vor sich hin.
Ich zündete mir eine Zigarette an, strich tröstend mit der linken Hand über ihren Hinterkopf und dachte nach. Von welchem verdammten Hahn war die Rede? Was ging hier vor? So viel verstand ich: Irgendetwas war im Busch. Aber was? Sicher wieder eines dieser dummen Rätsel, die sich selbst in Nichts auflösten. Die Drohungen berührten mich nicht. Wo käme ich denn hin, ließe ich mir von jedem wild gewordenen, Capa wedelnden Torero den Degen zwischen die Schulterblätter stoßen. Mein Name ist Wolf, nicht Rindvieh.

In der Nacht rief ich Martin an. Genau genommen seinen Anrufsammler. Vierundzwanzig Stunden später klingelte das Telefon in der Pasteleria und ich erläuterte ihm die Situation.
„Ich werde mich darum kümmern. Gleich morgen ziehe ich Erkundigungen ein. Nimm dir schon mal ein anderes Hotel. Eines außerhalb der Stadt. Die Kosten übernehmen wir.“
Das hatte ich bereits am Nachmittag arrangiert, erwähnte es aber nicht.
„Die Hotelliste mit einer Kopie des Briefes an meinen Freund habe ich an Inge geschickt. Ist es angekommen?“
„Ich nehme es an. Höchstwahrscheinlich komme ich im Laufe der nächsten Woche runter. Morgen oder übermorgen melde ich mich wieder.“

Zwei Tage danach spielte ich bei Teresa mit mir im Hinterzimmer ihrer Bierbar Billard. Im alles entscheidenden Moment wirbelte Ulli durch die Tür, als sei die Drogenfahndung, auf der Jagd nach seinem köstlichen Mohnkuchen, hinter ihm her.
„Komm mit!“, keuchte er, völlig außer Atem.
Und mir rutsche der blöde Holzstock von der Hand.
„Da sind irgendwelche Abgestürzte, die zu dir wollen.“
Das Spiel war verloren. Verdammt! Die erste Niederlage gegen mich. Ich legte das Queue aufs grüne Tuch und schloss mich Ulli an.
War ganz schön was los in diesen Tagen. Über zu wenig Abwechslung konnte ich nun wirklich nicht klagen.
Um meinem Selbsterhaltungstrieb die Entscheidung zu erleichtern, machte ich einen kleinen Umweg und pirschte mich von hinten über die Seitenstraße an die Konditorei heran zu dem Fenster, das den Verkaufsraum erhellte. Ich sah Ulli durch sein Geschäft in die Backstube gehen und, es brachte mich fast an den Rand der Verzweiflung, vier mir nicht unbekannte Gestalten. Seelenruhig tranken sie Kaffee und quasselten angeregt mit Biggi über die Kuchentheke hinweg.

Den angenehm Überraschten spielend, betrat ich freundschaftlich lächelnd die Pasteleria und begrüßte drei ungepflegte Männer und eine Frau mit wirrem Haar. Peter, den bierbäuchigen Buchhändler, dem sein grauer Vollbart und das lange schüttere Haar älter als dreiundvierzig erscheinen ließ. Neben ihm der milchgesichtige, einundzwanzigjährige, kurzhaarige Gregor. Ich mochte dieses Großmaul noch nie. An und für sich mochte ich keinen der Vier. Sie kamen aus Fürth bei Nürnberg, zählten sich zu den Autonomen und waren für mich nie mehr als ein Teil meines Jobs. Hinter den beiden sagte Werner etwas zu Biggi, die auf der anderen Seite der Theke stand, eine Kaffeetasse in Händen hielt, dämlich grinste und so tat, als würde sie ihn verstehen. Werner war Anfang zwanzig, gemütlich und beunruhigend intelligent. Eigentlich eher der Prototyp eines intellektuellen Softies: spindeldürr mit dunklem, langem fettigem Haar und Vollbart. Was diesen einschläfernd langsam sprechenden, quasialternativen Müsli in die autonome Szene trieb, war mir schleierhaft.

Bei Rosi nicht so sehr. Sie stand halb rechts von mir, etwas abseits von den anderen. Nicht viel, aber deutlich genug, um zu zeigen, dass sie Streit mit Gregor hatte und nun geduldig seine Entschuldigung abwarte. Eine wahrlich selbstbewusste neunzehnjährige Frau. Ihre stahlgrauen Augen sahen schläfrig an mir vorbei durch die Tür ins Leere, die aufgeplatzten Lippen zusammengepresst, das strähnige, schulterlange, rabenschwarze Haar hinter die Ohren gewurschtelt. Rosi hatte keinen blassen Schimmer von ihrer erotischen Ausstrahlung. Ich schon. Allerdings war das in diesem Moment kein Thema.

Mich beschäftigte vielmehr die Frage, wie es sein konnte, dass mich diese Figuren im tiefsten Spanien ausgruben. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, wusste kein Mensch, und erst recht keine Szenengänger, wo ich mich aufhielt. Nach meinem Job bei Kerker trollte ich mich aus Nürnberg, ohne, wie ich hoffte, Spuren zu hinterlassen. Mein Auftrag war erledigt.
Sicher sind sie auf der Durchreise und rein zufällig auf mich gestoßen, sagte ich mir und hoffte auf einen baldigen Abschied. Sie trugen leichtes Handgepäck bei sich. Eine Tasche jeder, mehr nicht. Ihre T-Shirts und Shorts flehten um Wasser. Kein Menschenvolk nach meinem Geschmack. Sie passten auch gar nicht zu einem wie mir.

Ich kleidete mich grundsätzlich lang. Weder Sonne noch blutsaugendes Ungetier konnte mir etwas anhaben. Für mich war es nicht nur eine Frage der Ästhetik, sondern auch der Höflichkeit, sich den Gepflogenheiten fremder Länder unterzuordnen. Selbstverständlich gehörten zur intakten Kleidung auch geputztes Schuhwerk und gepflegtes Gesichtshaar – soweit vorhanden.
Da stand nun meine jüngste Vergangenheit und glotzte mich blöd an.
„Was treibt euch denn in die Gegend?“, fragte ich zögernd und dachte: Gleich, nachdem ihr euch verzogen habt, werde ich Ulli nahelegen, eine Falltür einbauen zu lassen. Genau an der Stelle, auf der ihr steht. Öffnet sich der Schlund, schmunzelt euch das nächste Mal erwartungsvoll eine brandneue Häckselmaschine an.
„Danke für die Karte!“, sagte Werner fröhlich, „War ne echt geile Idee von dir.“
Was für ein blöder Spruch. Ich lächelte nichtssagend und wünschte etwas in ihre Kaffee, was mir weitere Auseinandersetzungen mit ihnen erspare. Keine dieser trüben Tassen konnte eine Karte von mir erhalten haben, weil ich aus tiefster Überzeugung heraus niemals für jedermann lesbare Karten verschicke. Briefe ja, Karten nein – ganz einfach.
Ich hatte mich noch keinen Zentimeter aus der Mitte des Verkaufsraumes wegbewegt. Hinter dem Rücken ballte ich die Fäuste und drückte die Knöchel fest aneinander, bis es schmerzte.

Copyright © 1993 - 2024 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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