Fechter

Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten

Über den Tatsachen-Roman

Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.

Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.

Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.

Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.

Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.

Der Action-Thriller Fechter bietet Ihnen ein intensives Leseerlebnis.
Gebundene Ausgabe

Fechter

Psycho-Thriller von

Olaf W. Fichte

Fechter: Siebenundzwanzigster Teil

Autor: Olaf W. Fichte (Kommentare: 0)

So räumten wir das Feld und traten den Heimweg an. Mäxchen ging voraus. Wir folgten seiner Fährte, auf die ihn der gar zu liebliche Duft eines über dem offenen Feuer gegrillten Schweines lockte. Nun ja, genau genommen folgten wir unseren Bäuchen, die uns geradewegs auf einen Jeep mit den seitlich angebrachten riesigen schwarzen UNIFIL-Lettern führten.
Er stand neben der Straße vor einem ausgebrannten Haus. Feiner Ruß und Straßenstaub bedeckten das Weiß des Wagens. Zu dumm nur, dass es in dieser Gegend keine Schweine gab. Sehr aufschlussreich hingegen, der Geruch gerösteter Terroristen.
Eine erstaunliche Kaltschnäuzigkeit herrschte in diesem Land. Mäxchen sah ins Innere des Jeeps, spuckte angewidert gegen die Scheibe vor seiner Nase, murmelte etwas wie: „Bevor er verkommt wie der ganze Haufen, nehmen wir ihn“, zog die Tür auf und rutschte hinter das Steuer. Der Schlüssel steckte.

Obwohl sich die Rückfahrt recht locker gestaltete, kehrten wir doch hungrig und müde in unsere Villa zurück.
Aber auch unbefriedigt, denn natürlich fuhren wir nicht über Naqura. Die dortigen Mädchen mussten also weiterhin nach unseren schmierigen Körpern schmachten.
Den Jeep stellten wir am Ortsrand ab. Der UN würden kaum mehr als zwei bis drei Stunden bleiben, bevor sie ihn gänzlich abschreiben konnte.

Kaum waren wir durch die Tür, als uns American-Josef und Ron, ebenfalls Amerikaner, ohne dem der Situation angemessenen Ernst, Beileidsbekundungen wildfremder Menschen überbrachten. Irgendein Spaßmensch hatte das Gerücht verbreitet, Libanesen hätten unsere vier verstümmelten Leichen in einem entfernten PLO-Lager entdeckt.
Ich empfand es als eine höchst angenehme Begrüßung, zeigten die Fantasiegebilde doch, wie wichtig wir diesen Menschen bereits nach einem Sechstageurlaub geworden waren.
„C’est la guerre!“, sagte ich, drückte mich an ihnen vorbei und ging auf mein Zimmer, dass ich mit Rettich teilte.
Kurz darauf trat Rettich ein.
„Was soll das?“
„Blind geworden? Ich packe, verdammte Scheiße!“
Er legte sich auf sein Bett, verschränkte die Arme hinterm Kopf und sah zur Decke.
„Aaaha!“
„Null Bock, noch mal neun Monate den Schrottsammler for nothing zu spielen – es reicht.“
„Immer cool bleiben. Sind nur die Wehen.“
„Nix Wehen. Abgang!“
„Mein Vater sagte immer ...“
„Leck mich!“
„Falsch! Er sagte nämlich: Bei den Deutschen beginnt oder endet jeder Satz mit Geld, bei den Franzosen mit irgendeiner Fresserei, bei den Holländern mit ficken und bei den Amerikanern ... Hey, warte, ich komme mit!“, sprang mit einem Satz vom Bett auf und versetzte mir einen freundschaftlichen Fauststoß in den Rücken.

Am Morgen darauf, alle Aufregung um unsere Reinkarnation hatte sich gelegt, trug ich nach langer Zeit erstmals wieder Zivilkleidung. Ich möchte nicht sagen, dass es mir gefiel – etwas ungewohnt vielleicht.
„Du gehst?“ Haddad stand an Sandsäcke gelehnt vor seinem Haus und rauchte ein dunkelbraunes Zigarillo.
„Ja.“
„Ich dachte es mir, als ich dich in diesem Aufzug kommen sah. Darf ich fragen, warum?“
„Natürlich.“
Warum sollte er nicht fragen dürfen?
„Ich gehe mit ihm!“, rief Rettich, auf uns zulaufend, außer Atem.
„Mazel tov!“ Mit fest aufeinandergepressten Lippen schüttelte Haddad mit beiden Händen die unseren, machte abrupt kehrt und ging durch sein Spalier mannshoch aufgestapelter Sandsäcke die fünf Stufen zum Eingang seines Hauses hinunter.
Nur etwas mehr als fünf Monate lagen noch vor ihm. Im Sommer des Jahres erlag er im Krankenhaus von Haifa einem Krebsleiden.

Ohne weiteres Trara verabschiedeten wir uns von unseren Kameraden. Ron gestattete seinen Gefühlen einen Ausbruch und heulte ungehemmt los. Für mich peinlich und zugleich der Auslöser, schneller als beabsichtigt, das Quartier zu verlassen.
„Abgefuckt!“
Mäxchen blieb plötzlich stehen, schüttelte seinen Körper, als habe er sich vor irgendetwas fürchterlich geekelt, und sah mit zusammengekniffenen Augen auf den vor uns liegenden Marktplatz von Marjayoun.

Drei uniformierte Israelis führten eine Gruppe von zehn farbenfroh gekleideten Zivilisten über den Platz. Journalisten, die eifrig jede weggeworfene Zigarettenschachtel knipsten und ihre beklemmenden Eindrücke in Notizblöcke kritzelten.
„Wer uns fotografiert, ist Tod!“, rief ihnen Mäxchen zu, lud seine Waffe durch und richtete den Lauf auf sie.
„Was wollen die hier? Schon seit Wochen ist hier nichts mehr los. Normalerweise müsste man ... Scheiße, ich verschwinde!“, beschloss Karl-Heinz spontan. „Wartet eine Minute, bin gleich wieder da“, und spurtete zur Villa.
Bevor Rettich, Normalerweise und ich in ein auf dem Marktplatz vor „Joes Bar“ wartendes Taxi stiegen, umarmten wir Mäxchens massigen Körper.
Joes Bar war unsere Stammkneipe, aber sie hieß nicht wirklich Joes Bar und war vermutlich auch nie mehr als der Tagungsort der paar Alten im Dorf. Wir gaben ihr den Namen, weil es keinem jemals gelang, in Erfahrung zu bringen, wie der Schuppen mit dem kleinen, uralten Kühlschrank, den drei Stahlrohrstühlen und den dunkelblauen Farbpigmenten an der Glastür tatsächlich hieß.
„Passt auf eure verdammten Eier auf.“ Tränen standen ihm in den Augen. „Wir sehen uns in Afghanistan!“, sagte er und lächelte schmerzverzerrt wie nach einem Facelifting.
Ganz sicher ahnte er in diesem Moment nicht, dass er als Polizist in Den Haag enden würde.
„Wo denn sonst“, entgegnete Normalerweise so leise, als habe er Angst, gehört zu werden.
Geografie war nie seine Stärke. Er blieb in Israel und kehrte schon nach wenigen Tagen an die Rundungen der schönen Litani zurück. Heute lebt er irgendwo in Deutschland – gefesselt an den Rollstuhl. Eine Terroristenmine riss ihm beide Beine aus dem Leib.
Der Rest unserer Mannschaft ruht verstreut auf den Schlachtfeldern dieser Welt.

„Wohin?“, fragte der Taxifahrer, gelassen auf dem Filter seines kalten Zigarettenstummels kauend.
Er sah mir durch den Innenspiegel in die Augen. Ich glaubte, ein dreckiges Grinsen in ihnen zu erkennen und war froh, meine Waffe zurückgelassen zu haben.
„Metulla. Bushaltestelle“, antwortete ich und schluckte, nein, würgte schwer.

Der Geruch des Libanon – er wird mir fehlen.


„He, he, he, he, he!!!“, schrie ich quer über den Bahnsteig, hüpfte übermütig auf der Stelle und wedelte wild mit beiden Armen durch die Luft. Ich freute mich, und es war mir völlig egal, ob ich mich zum Obst machte.

Ich traf aus Frankfurt am Main kommend im Amsterdamer Hauptbahnhof ein. Sie wissen schon, jenem Bahnhof auf Stelzen. Rettich stand breitbeinig mit vor der Brust verschränkten Armen am Ende des Bahnsteiges – im Rücken die Halle. Ungesehen kam niemand an ihm vorbei. Er sah meine Übungen und seine versteinerte Miene wich einem Schmunzeln. Ich griff nach meinem Seesack und hob ihn im Gehen über die Schulter.
Fünfzig Schritte weiter umarmten wir uns heftig.
Eine Woche war seit unserem Abschied aus dem Libanon vergangen. Wir amüsierten uns noch ein paar Tage in den Klubs von Tel Aviv, bis Rettichs Maschine nach Amsterdam und meine einen Tag später nach Frankfurt am Main abhob.

Die Intensität unserer Begrüßung ließ eine gewaltsame Trennung zweier Brüder von wenigsten drei Jahren vermuten, nicht aber das Wiedersehen zweier Freunde nach drei Tagen.
„Salve, abgefucktes Aschlock!“
So kannte ich meinen Rettich: ein Charmeur alter Schule.
„Salem aleikum, verkommene Söldnersau!“
Er schmunzelte und klopfte mir mit der flachen Hand auf den Rücken. „Komm, machen wir eine Revolution.“
Ich sah ihm in die Augen und zuckte die Schultern.
„Warum nicht. Mal was andres.“
Rettich legte seine Hände auf meine Schultern und drehte mich dem Ausgang zu.
„Dann komm!“
„Moment!“ Ich stoppte.
Auch Rettich blieb stehen. „Was hast du?“, fragte er besorgt.
Wieder sah ich in seine hellblauen Augen. Diesmal sehr ernst und sehr gefasst.
„Die Zentralbank, der Präsident und sein schnuckeliger Harem gehören mir!“
Rettich drehte sich einmal um sich selbst, sah irgendwo in den Bahnhof, als suche er den, der ihn ansprach, wandte sich nach wenigen Sekunden wieder mir zu und begann plötzlich, brüllend vor Lachen, inmitten der riesigen Halle mit beiden Beinen auf der Stelle zu hüpfen. Reisende schlichen sich ängstlichen Blickes an uns vorüber, andere änderten ihren Kurs und machten einen weiten Bogen. Verstohlen blickten abseitsstehende mit einer Mischung aus Entsetzen und Abscheu zu uns herüber.
Ich winkte ihnen freundlich zu und sogleich beeilten sie sich, ihre klappernden Zähne außer Reichweite zu bringen.
„Seit wann stehst du auf Geld, Macht und Weiber?“
Er verschluckte sich und hustete, was ihn zwang, endlich sein albernes Hüpfspiel einzustellen. „Den Präsident kannst du haben. Und die Gefängnisse und Waffendepots sind bestimmt besser für dich.“
„Überredet.“
Ich war eben ein sehr bescheidener Mensch.
„Kannst alles leer machen. Oder sagt man alle machen?“
„Wie man’s braucht. Ich nehme beides.“
Wir verließen den Bahnhof, schlenderten über den Vorplatz und setzten uns in ein nahegelegenes Café.
„Erzähl!“, forderte ich ihn nach dem Kredenzen der Getränke auf.
Rettich zündete sich eine Zigarette an, nippte von seinem Kaffee und blickte nervös um sich.
„Suriname. Später mehr. Nicht hier.“
Ich konnte nicht glauben, was ich hörte, und pflaumte ihn an: „Du ziehst das Theater wegen irgendwelcher Suchini ab? Bist du noch ganz knusper? Glaubst du, ich komme in die Niederlande, um einen dämlichen Gemüsestand zu plündern?“
Er saugte an seiner Zigarette und kicherte wie ein frisch verliebter Teenie. „Knuuusper ... wie das klingt ... knuuusper. Das heißt nicht Suchini, sondern Zucchini.“
„Wohl Gärtner geworden, hä?“
„Wir reden später über …“, er schob seinen Kopf so weit zu mir über den Tisch, dass uns von Nasenspitze zu Nasenspitze keine zehn Zentimeter trennten, „Suriname. Später.“
Der soll sich nicht so haben, dachte ich mir, und bohrte. „Was heißt das, Suchinam?“
„Suriname ... e ... e.“
„Meinetwegen Surinamäääh.“
Wir lachten beide. Dann legte Rettich die Stirn in Falten, was seinem lang gezogenen Gesicht etwas Pferdeartiges verlieh, sah sich erneut nach allen Seiten um und senkte seine Stimme so weit, dass nunmehr ich es war, der sich über den Tisch beugen musste, um nahe genug zu sein, ihn verstehen zu können.
„Weiß nicht, was das heißt. Ist ein Land in Südamerika.“
Ich rutschte auf meinem Stuhl herum und warf strafende Blicke auf ihn. Erst heißmachen, dann vertrösten – wie ich das liebte.
„Zappeln lassen gilt nicht. Am Telefon sagtest du, ich solle sofort kommen. Wie du unschwer erkennen kannst, bin ich sofort gekommen. Habe einen Job sausen lassen. Nichts Besonderes, aber immerhin. Und jetzt? Willst du mich austrocknen?“
„Ich erzähle dir alles in der Unterkunft. Es ist zu heiß hier.“
„Dann lass uns aufbrechen. Wohin geht’s?“
„Ein Stück weiter ab. Wir müssen zur Untergrundbahn.“

Als ordnungsliebender Mensch ging ich noch einmal zum Hauptbahnhof und rief in München an, um Kerker wissen zu lassen, dass sich mein Dienstbeginn verzögern wird. Seiner Bitte, nach meiner Rückkehr einen genauen Bericht abzuliefern, maß ich keinerlei Bedeutung bei. Und noch weniger seinem Argument, ich hätte bereits einen Vertrag bei ihm unterschrieben. Über einen Bericht als solchem, dessen Inhalt und Umfang entscheidet ausschließlich das Entgegenkommen der Staatskasse. Kerker musste mein Credo kennen, doch zu einem Angebot raffte sich der Geizhals nicht auf.

Unsere Unterkunft, zwei Räume auf der dritten Etage eines Mehrfamilienhauses irgendwo am Amsterdamer Stadtrand, zeichnete sich durch zurückhaltenden Komfort und vordergründigem Praxisbezug aus. Vier Matratzen, einige Handtücher und Decken, ein Tisch mit drei übereinandergestapelten Gartenstühlen darauf, in der Ecke unter dem einzigen Fenster ein Fernsehapparat und auf einem Brettchen an der Wand gegenüber ein Radiogerät mit praktischem Henkel.
Extravaganzen barg die niedliche Küche, in die man nach dem Öffnen der Wohnungstür stolperte: Ein offenes Duschbecken zwischen dem kombinierten Spültisch mit Herdplatte und Kühlschrank auf der einen und der Toilette mit dem Abfalleimer auf dem Wasserkasten auf der anderen Seite.
Ich nahm die Stühle vom Tisch, befreite sie mit der flachen Hand vom Staub der letzten Jahrzehnte und Rettich ging in die Küche Kaffee aufsetzen. Als er durchgetröpfelt war, setzten wir uns, schlürften das dunkle Gebräu aus Zahnputzgläsern, rauchten schwarze Selbstgedrehte und ließen die neue Umgebung für ein paar Minuten auf uns einwirken.

Copyright © 1993 - 2025 by Olaf W. Fichte, Germany. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Der Roman Fechter beruht auf tatsächlichen Ereignissen.


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