Fechter
Psycho-Thriller nach wahren Begebenheiten
Über den Tatsachen-Roman
Auszüge aus dem Leben eines jungen Söldners.
Nach seiner Zeit bei der Fremdenlegion arbeitet er für jeden, der, wie er, sich gegen Terroristen wendet - und ihn dafür bezahlt. Ob z. B. im Libanon oder im Einsatz für Geheimdienste, Wolf Fechter, der Protagonist, ist Söldner aus tiefster Überzeugung.
Bis zu dem Tag, als man ihn zum Narren hält und sich weigert, ihn zu bezahlen.
Folgen Sie Wolf Fechter u. a. nach Spanien, in den Libanon, die Niederlande und durch Deutschland.
Der erfolgreiche Roman Fechter ist ein dynamischer Thriller, dessen Haupthandlungen sich in der Zeit von Anfang bis Ende der 1980er Jahre ereigneten.
Fechter
Psycho-Thriller von
Olaf W. Fichte
Fechter: Achter Teil
Deutschland – im Februar
(vier Jahre vor Spanien)
„Gehen Sie bitte als Letzter von Bord“, hauchte mir eines dieser kosmetischen Wunderwerke ins Ohr als die DC-10 auf dem Rollfeld des Flughafens Frankfurter am Main zum Stillstand kam.
„Du verwechselst da was: Ich bin nicht der Kapitän.“
Ihre berufsbedingt übergezogene Lächelmaske fiel in sich zusammen. „Tun Sie’s dennoch. Bitte!“
Stewardessen sind was Wunderbares: Nett, unverschämt attraktiv, verständnisvoll und rätselhaft.
Verwegen, wie ich war, stellte ich mir diese, im Gang zu meiner Linken, unter dem schönsten Sternenzelt im klarsten Mondenschein ohne Deckmasse vor und fragte mich irritiert, was mich mehr deprimierte. Es war wohl ihre Aufforderung, derer ich nun ohne Widerwort folgte, obgleich ich nicht begriff. Ich war müde und wehrte mich, über den Sinn oder Unsinn ihrer Worte nachzudenken. Zumal ich ohnehin nicht unter den Ersten sein konnte, da Raucher grundsätzlich die hinteren Plätze zugewiesen bekamen. Warum das so war, dahinter bin ich nie gestiegen. Möglicherweise, weil unkoordinierte Tabakwölkchen den internationalen Luftverkehr gefährdeten. Nicht rauchende Alkoholiker, Drogenabhängige, Tablettensüchtige, Psychopathen und dergleichen Kundschaft mehr, durften sich ohne Ansehen der Person und ihren Neigungen vorn, in der Nähe des Cockpits, niederlassen. Für meinen Horizont nicht greifbar.
Als einer unter vielen unbescholtenen Passagieren kam ich aus Israel. Eigentlich aber aus dem Libanon. Oder doch aus Israel?
Der Reihe nach: Vor neun Monaten landete ich auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. Die überwiegende Zeit verbrachte ich allerdings im Libanon. Verzwickte Sache, wenn man mal besonders genau sein will.
Ich kam also aus Nahost, hatte mehr als acht Stunden Flug hinter mir und wurde am Ausgang der Maschine von sechs Beamten des Bundesgrenzschutzes und zwei hungrigen, auf den kleinsten Fehler von mir lauernde, Deutsche Schäferhunde erwartet. Freundlich grüßend – man will ja nicht provozieren – trat ich reinen Gewissens in die Fluggastbrücke hinaus und bedauerte sogleich mein unbekümmertes Wesen. Ohne Vorwarnung stürzten sich drei der Herren auf mich, stießen fremdartige Tonfolgen aus, warfen mich zu Boden und fummelten an meiner Figur herum. Hunde kläfften, zerrten ungeduldig an den kurzen Leinen ihrer lustig uniformierten Herrschaft. Einer fuchtelte nervös mit dem Lauf seiner Maschinenpistole zwanzig Zentimeter über meinem Kopf herum. Wahrscheinlich ein neues Teil, das er mir unbedingt vorführen musste. Handschellen klickten. Ein ekelhaftes Geräusch.
„Wie heißt der Film?“
„Schnauze!“
Sie hoben mich auf die Beine, und ich sah den Schweiß in ihren geröteten Gesichtern. Ordentlich verschnürt geleitete mich die Eskorte durchs Abfertigungsgebäude. Hunderte Menschen gafften mich an – und uns nach. Von einer Minute auf die andere war ich berühmt.
Glauben Sie mir, ich war heilfroh, als wir in der Amtsstube der Grenzschützer ankamen. Reisende können einem ja so was von blöd anglotzen.
Samt Fessel schlossen sie mich hinter ein Gitter. Keine Zelle, oder jedenfalls nicht so richtig, im klassischen Sinn, meine ich. Hinten links zog sich diagonal über die Zimmerecke ein mausgraues Gitter durch die Amtsstube. Vom Boden bis zur Decke. Vier Quadratmeter schräg gegenüber dem einzigen Fenster. Möbliert mit einem in der Wand verankerten Holzbrett und einer Pferdedecke. Ich verfügte über ausreichend Fantasie und Humor, um in dem Brett einen Bettersatz zu erkennen. Blöd genug, mich auf das wurmstichige Ding zu legen war ich freilich nicht. Ich setzte mich auf den Boden, lehnte mich an die Wand, streckte die Beine aus und beobachtete das Treiben im Büro.
„Wie sieht Ihr Gepäck aus?“, fragte einer irgendwo aus dem Raum.
Als ob ich keine anderen Sorgen hätte. Ich beschrieb es und eine halbe Stunde später brachte man den Seesack. Sie entleerten ihn vor meinem Laufstall, indem sie ihn öffneten, um 180° drehten und einige Male kräftig, am Boden weit hochhaltend, schüttelten. Was heraus fiel, dem gaben sie einen Namen und trugen es in ein Formular.
„Ich will ja nicht neugierig erscheinen, aber weshalb bin ich hier?“
„Wissen wir nicht“, antwortete der Schriftführer, ohne aufzusehen. „Wir hatten Sie nur festzunehmen.“
„Ach, nur. Und der Aufwand? Sicher angemessen.“
„Sie seien Söldner und gefährlich, steht im Telex.“
„Und liebe rohes Menschenfleisch.“
Jetzt umriss ich auch, wonach sie mein Gepäck durchstöberten: Ganz bestimmt folgten sie dem, was die Legende lehrt, und suchten abgeschnittene Ohren und Schrumpfköpfe.
Nach drei langweiligen Stunden holte mich ein VW-Kleintransporter ab. Ich durfte den Seiteneingang benutzen und gleich hinter dem Gepäckgitter Platz nehmen.
Man brachte mich in Polizeihaft. Irgendwo in der Innenstadt. Und nach weiteren siebzig Minuten forderte man mich auf, meine Habe entgegen und ihre Gastfreundschaft nicht länger in Anspruch zu nehmen. Nichts lieber als das. Ich folgte auf die Kammer, nahm meine Habseligkeiten aus einem Karton, stopfte sie in den Seesack und reklamierte den Verlust meines Schweizer Offiziersmesser.
Der hagere Bulle hinterm Tresen sah mich müde an und knurrte etwas, das den Klang von „Leck mich“ hatte.
„Unterschreib hier!“, legte die flache Hand auf das Protokoll und schob es zu mir herüber.
„Abfahrn! Wo ist das Messer abgeblieben?“
Sein rechter Zeigefinger sträubte sich zunächst, schob sich dann aber doch Zeile um Zeile über das Protokoll des Bundesgrenzschutzes und stoppte bei Nummer neunundvierzig. „Hier steht’s. Also musst du es haben.“
„Hab ich aber nicht. Was jetzt?“
„Woher soll ich das wissen. Unterschreib, dass du deinen Kram erhalten hast und basta!“
Ich übersah seinen ausgestreckten Arm mit dem Faserschreiber in der gichtigen Klaue, warf meinen Seesack auf die Schulter und machte zwei, drei große Schritte auf die Tür zu.
„He, bleib da! Drüben warten zwei vom LKA auf dich!“
Gott, wie primitiv! Fiel ihm auf die Schnelle wirklich nichts dümmeres ein?
„Kommst hier sowieso nicht raus! Mach dich den Gang runter! Letzte Tür vorm Gitter links. Nummer null, null, sieben.“
„Aber nur, weil ich so neugierig bin.“
Ich drehte mich ihm noch einmal zu, sah in sein Gesicht und wusste, er sprach die Wahrheit. Ein Mensch, der mit einem derart langen, unnatürlich spitz und dürren, leuchtend rotem Rüssel gestraft ist, kann unmöglich auch noch lügen.
Und wahrhaftig – in der acht Quadratmeter großen, in unschuldigem Notaufnahmeweiß gehaltenen Besenkammer, Pardon, Besucherzelle geduldeten sich zwei Herren. Ein kleiner, väterlich lächelnder, schlohweißer Mittfünfziger und ein dunkelblonder, scharf rechts gescheitelter, misstrauisch blickender Anfang der dreißig, dessen Statur der Meinigen ähnelte.
Ich ging hinein, gab mit der Hacke der Tür hinter mir einen Stoß, stellte meinen Seesack an die Wand und sah unschuldig fragend von einem zum anderen.
Für einige Augenblicke hielt ich den Atem an. Mag ja sein, dass jeder Knast seinen Eigengeruch hatte, doch der hier übertraf alle. Gleich einem unvermittelt heftigen Fausthieb schlugen mir die gesammelten Werke aus Moder, Entkeimungschemie, Schweißfüßen und ungewaschener Genitalien auf den leeren Magen. Oder anders ausgedrückt: Mir war kotzübel.
Beide kamen auf mich zu, reichten mir ihre weichen, warmen Hände und stellten sich als Herr Spehr und Herr Kerker vor. Spehr, der ältere, deutete einladend auf die drei abgeschabten Holzstühle um den grob gezimmerten Tisch. Ich ging um den Tisch herum und setzte mich mit dem Rücken zum vergitterten Fenster und dem Blick auf die angelehnte Tür. Spehr wählte den Stuhl links von mir.
Kerker köderte mich mit Zigaretten und Cola. Kaffee und Steak wären mir lieber gewesen. Aber man soll ja nicht gleich nach den Sternen greifen. Selbst dann nicht, wenn man seit der Festnahme nichts Festes hatte zu sich nehmen können. So bediente ich mich seiner Zigaretten und drückte tapfer runter, was sich nach oben arbeitete.
Die beiden Herren schlossen sich übrigens nicht an. Spehr habe es sich auf Anraten seines Arztes abgewöhnt. Dreißig Jahre qualmte er täglich zwischen sechzig und achtzig Zigaretten. Ein beachtliches Pensum. Meines lag bei zwanzig und der Zuversicht, einer der beiden Ignoranten möge sein Gehalt aus diesen Steuern beziehen.
Kerker habe noch nie geraucht und wisse auch nicht, was andere daran fänden. Ich wusste auch nicht, was andere daran fanden.
„Für die Polizei sind wir vom hessischen Landeskriminalamt. Für Sie vom Verfassungsschutz“, eröffnete Kerker.
„Und wer seid ihr wirklich?“
„Wir kommen vom bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz.“
„Nette Gegend. Kann ich jetzt gehen?“
Ich fühlte mich auf den Arm genommen. Und mich interessierte nicht im Entferntesten, was die von mir wollten. Erst die Festnahme, die ich mangels Nahrung nicht verdauen konnte, dann diese beiden Obergeheimen. Woher sollte ich wissen, welchem Verein sie tatsächlich angehörten? Ein Durcheinander war das mal wieder. Ich stand auf.
„Noch nicht!“, blockierte Spehr meinen Freiheitsdrang, „Wir haben Ihre Festnahme veranlasst.“
Frechheit! Ich setzte mich wieder und entzündete eine neue Zigarette an der Glut der vorherigen. Beide verfolgten jede meiner Bewegungen.
„Wir fanden, es sei die unauffälligste Lösung, um mit Ihnen ungestört ins Gespräch zu kommen.“
„Was sonst. Auch ich bin ein Freak intellektueller Konversation hinter Kerkermauern.“
„Sie mögen uns nicht“, las Spehr meine Gedanken.
„Ich habe Hunger.“
Weshalb sollte ich sie nicht mögen? Nehmen mich grundlos fest, werfen mich in den Knast und sehen seelenruhig zu, wie ich verhungere.
„Anschließend. Wir gehen anschließend in ein Restaurant.
Sag ich doch: Nette Jungs!
„Entschuldigen Sie die Unannehmlichkeiten.“ Kerker hob seinen rotbraunen Pilotenkoffer auf den Tisch, öffnete ihn und barg einen schwarz eingeschlagenen Terminkalender, einen handtellergroßen Notizblock und einen silberfarbenen Kugelschreiber.
Während er sein Handwerkszeug vor sich aufreihte und den Koffer zurück zwischen seinem und Spehrs Stuhl platzierte, sagte er: „Wir haben diesen ungewöhnlichen Weg beschritten, um Sie zu fragen, ob Sie sich vorstellen könnten, für uns tätig zu werden. Wenn Sie interessiert sind, werden Sie gleich verstehen, dass wir mit unserer Vorgehensweise nur Ihre Sicherheit im Sinn hatten. Welche Pläne haben Sie für die kommenden, sagen wir mal, drei Jahre?“
Spehr, die Hände im Schoß gefaltet, nickte bekräftigend.
„Ein warmes Bad, ein paar Monate El Salvador, dann wieder ein warmes Bad und dann – mal seh’n.“
Warum lügen. Ich kannte mich und wusste, dass es mich nach spätestens zwei Monaten Zivilisation wieder hinausziehen würde. So war das eben mit mir: Irgendwo schlagen sich zwei edle Motive und eines verlässt das Schlachtfeld als Sieger. Mir war völlig wurscht, welches. Denn mir waren beide zuwider. Insbesondere diejenigen, die sich in die in den Köpfen einiger weniger gereiften Lehren verfingen, sich in blinden Fanatismus steigerten, um im Terrorismus auszuarten.
Meinetwegen kann jeder konsumieren, was ihm behagt. Da bin ich ausgesprochen tolerant. Es ist mir ganz gleich, woran der eine oder andere erstickt. Ich irrte nicht umher, den Globus zu erkunden, gar herrschende Verhältnisse umzustoßen. Es zog mich hinaus, dieses Irrenhaus begreifen zu lernen, und wusste nie, wie einzudringen mir gelang.
„Sie sind verrückt.“
„Wäre ich das nicht, hätten Sie mich dann auch entführt?“
„Kommen wir zum Ausgangspunkt zurück.“ Spehr rieb sich die Nase, als habe ihm meine Wortwahl eins drübergezogen. „Unser Angebot ist nicht gänzlich ungefährlich. Dafür zahlen wir Ihnen einen Lohn von fünfhundert Mark plus fünfzig Mark Spesenpauschale die Woche. Alles darüber Hinausgehende rechnen Sie separat ab. Hinzu kommen Prämien, die von Fall zu Fall variieren, bei vierhundert Mark ansetzen und nach oben hin offen sind. Alles steuerfrei! Was sagen Sie dazu?“
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